Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
Vom Netzwerk:
Vergangenheit
in diesem Gebäude gefangen und hatte wohl wenig Aussichten, das zu ändern.

    Â»Wie lange gibt es den Malerbetrieb schon?«, fragte ich.

    Â»Mein Vater hat ihn gegründet. Er hat dieses Haus gebaut
und die Firma aufgemacht. 1957, ein Jahr bevor ich geboren wurde.«

    Das passte zu Grams’ Erscheinung. Die hängenden Schultern,
die schwarzen Ringe unter den Augen, die Mundwinkel, die senkrecht zu Boden
stürzten, waren direkter Ausdruck seines Schicksals. Wahrscheinlich war er in
diesen Räumen schon aufgewachsen.

    Zu einer wirklich verkrachten Existenz fehlte nur noch
eines. Darum fragte ich: »Wie ist denn Ihre Auftragslage?«

    Er presste die Lippen aufeinander. In seiner Stimme lag
noch mehr Bitterkeit als beim Bericht über seine Frau. »Schlecht. Sehr
schlecht. Die Wirtschaftskrise. Nein, eigentlich hat es schon vorher
angefangen. Ich mache Werbung, ich nutze das Internet, ich habe die Preise
gesenkt. Ich weiß nicht, was sich geändert hat. Die Aufträge gehen zurück. Ich
musste bereits einen Mitarbeiter entlassen. Wenn es so weitergeht, ist in zwei
Monaten der nächste dran.«

    Â»Wie viele Mitarbeiter haben Sie denn?«

    Â»Im Moment noch drei.«

    Als ich zum ersten Mal den Gedanken gehabt hatte, Tobias
könnte von einem Mitspieler ermordet worden sein, hatte ich das rational für
ausgeschlossen gehalten. Wer würde schon seine ganze Existenz aufs Spiel
setzen, nur um Rache zu nehmen, weil er in einem Gesellschaftsspiel übervorteilt
worden war? Wenn die Existenz eines Menschen aber so weit in sich
zusammengefallen war, dass sie nur noch ein geringer Spieleinsatz war, sah die
Sache etwas anders aus.

    Â»Das ist bitter«, sagte ich.

    Â»Ich rechne nicht damit, dass ich meine Firma noch bis
zur Rente über Wasser halten kann. Aber ich sehe auch keine Alternative für
mich.«

    Ich war sprachlos. Nina hielt sich zurück.

    Elias Grams sagte: »Ich hatte schon den Gedanken, mich
als Schriftsteller zu versuchen.«

    Â»Tatsächlich?«

    Â»Wissen Sie, wenn ich Deutscher Meister werden würde,
dann könnte ich doch darüber ein Buch schreiben, oder?«

    Warum eigentlich nicht, dachte ich. Heutzutage erschienen
eine ganze Menge Bücher, deren Inhalte noch absurder waren. »Und was wäre in
diesem Buch die Handlung?«

    Â»Ich weiß nicht, ich dachte eigentlich an einen Erfahrungsbericht.
Eine realistische Erzählung, wie ich es geschafft habe. Welche Strategie ich
verfolgt habe. Meine E-Mails habe ich ja noch alle, die bräuchte ich einfach
nur zusammenzustellen.«

    Ich dachte an die E-Mails von Tobias und überlegte, wie
viele E-Mails wohl in einer kompletten Partie geschrieben wurden. Und welcher
Außenstehende das lesen wollte. Aber vielleicht kannte Grams ja einen
Nischenverlag mit einem masochistisch veranlagten Verleger.

    Â»Aber das können Sie doch bei jeder anderen Partie auch
machen, oder?«

    Â»Ja, aber wer liest denn das? Stellen Sie sich mal vor,
der Deutsche Meister legt seine Strategie offen. Das macht was her. Alles
andere nicht.«

    Für mich machte weder das eine noch das andere etwas her.
Grams hatte allerdings schon genug Sorgen, als dass er meine Einschätzung der
Aussichten für sein Buchprojekt gebrauchen konnte. Zumal ich ihm genug andere
Sorgen bereiten würde.

    Â»Dann können Sie hoffentlich die veränderte Lage im Spiel
nutzen – Russland ist neu besetzt«, sagte ich.

    Â»Ja, vielleicht«, räumte er ein. »Nein, nicht vielleicht,
wahrscheinlich sogar. Ich glaube, ich habe mich mit dem neuen Russen geeinigt
und das könnte etwas geben.«

    Ich dachte an Ralf, der uns erklärt hatte, kein Spieler
mit Verstand würde anstelle Russlands den Angriff auf die Türkei abbrechen.
Ralf hatte aber auch noch nie bei der Deutschen Meisterschaft gespielt. »Was
haben Sie vereinbart?«

    Elias Grams lächelte. »Natürlich bin ich nicht so naiv zu
glauben, der neue Russe würde mit mir zusammenspielen. Der steht viel zu gut.
Er wäre ein Idiot, wenn er nicht weiter gegen mich zieht. Meine Hoffnung liegt
in Österreich.«

    Das war interessant. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht.
»Wie sind Ihre Pläne?«

    Â»Ganz einfach. Russland glaubt, Österreich und Italien werden
mit ihm zusammen mich angreifen. Aber da täuscht er sich. Stattdessen wird es
einen groß angelegten

Weitere Kostenlose Bücher