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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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dass Sie sich heute Morgen die
Zeit für uns genommen haben.«

    Er winkte nur ab.

    Â»Wir sind zu Ihnen gekommen, weil Sie in der Partie des
Halbfinale der Deutschen Meisterschaft in E-Mail- Dominanz spielen.«

    Elias Grams war verblüfft. Er sagte: »Ich habe immer geahnt,
dass das Spiel einmal verboten wird.«

    Ich musste lachen. Es war das erste Mal, seit wir geklingelt
hatten, dass ich mir vorstellen konnte, dass sich dieser Mann tatsächlich in
einem Spiel, in dem es um raffinierte Manöver ging, behaupten konnte. Ich
antwortete ihm: »So weit ist es noch nicht. Wir sind von der Mordkommission in
Krefeld und untersuchen den Tod von Tobias Maier.«

    Darauf wusste er keinen Spruch. Er war ehrlich erschüttert.
»Er ist tot? Tobias ist tot?«

    Ich nickte und beobachtete ihn genau. Nichts deutete
darauf hin, dass er das schon gewusst hatte. »Ja, er ist tot. Sie haben sicher
bemerkt, dass er nicht mehr an der Partie teilnimmt.«

    Â»Ja, natürlich. Er hat keine Züge mehr abgegeben. Aber
das kann tausend Gründe haben. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Tobias so
aus einer Partie fliegt.«

    Da hatte er natürlich recht. »Seine Position war ja aber
nicht unbedingt schlecht.«

    Â»Er hat die perfekte Eröffnung gespielt«, bestätigte Herr
Grams.

    Ich wollte ihm nicht gleich die Pistole auf die Brust setzen,
deshalb nahm ich das Tempo aus unserem Gespräch, ging zwei Schritte rückwärts
und schlug einen weiten Bogen. Grams sollte nicht das Gefühl bekommen, gleich
seinen Anwalt verständigen zu müssen. »Wie lange spielen Sie schon Dominanz? «

    Â»Oh, schon ziemlich lange. Vielleicht seit dreißig
Jahren.«

    Â»Das ist wirklich sehr lange.«

    Er lächelte versonnen. »Mein erstes Spiel habe ich mir direkt
in England gekauft, das gab es hier damals gar nicht.«

    Â»Sie haben es richtig als Brettspiel gespielt?«

    Â»Ja, damals gab es noch kein Internet.«

    An diese Zeit erinnerte ich mich auch noch. Die Zeit, bevor
unser Leben sich so sehr beschleunigt hatte, dass sogar einem Testpiloten
schwindelig wurde. Bevor man ständig und überall erreichbar war und erreichbar
sein musste. Die Zeit, in der man noch direkt lügen musste und es nicht per
E-Mail konnte.

    Â»Mit wem haben Sie gespielt?«

    Â»Wir waren eine Clique von der Berufsschule. Wir wohnten
alle in Münster und haben uns auch nach der Ausbildung noch regelmäßig
getroffen. Ich hatte vorgeschlagen, dieses Spiel einmal auszuprobieren, und
dann haben wir es regelmäßig gespielt. Vielleicht einmal im Monat.«

    Â»Nicht öfter?«

    Â»So eine Partie dauert ganz schön lang. Unter fünf Stunden
geht da gar nichts. Und natürlich müssen Sie hinterher noch ein paar Runden
zusammen trinken, damit die Freundschaft nicht leidet.«

    Das glaubte ich ihm aufs Wort. »Kann man so ein Spiel
denn überhaupt spielen, ohne dass die Freundschaft leidet?«

    Er schaute mich fragend an. »Natürlich.«

    Ich wartete, aber er wollte das nicht weiter erklären.
Ein Zeichen, dass er sich seiner Aussage sehr sicher war. »Spielen Sie in
diesem Kreis heute auch noch?«

    Seine Augen wandten sich von uns ab, auf einen Ort in der
Vergangenheit. »Ja, das wäre eine Idee. Aber wir haben schon vor längerer Zeit
aufgehört. Wir haben alle nach und nach geheiratet. Dann war es vorbei mit den
gemütlichen Abenden. Und die Frauen fanden das Spiel ein wenig … ungewöhnlich.«

    Â»Sie haben keine neuen Spieler gefunden?«

    Â»Ich habe auch geheiratet«, sagte er, als sei damit alles
erklärt.

    Â»Ich habe Ihre Frau auf dem Foto gesehen. Auf Ihrer Seite
im Internet.«

    Er schnaubte.

    Ich fragte: »Herr Grams?«

    Er sagte: »Meine Frau hat mich vor einem halben Jahr verlassen.
Sie hatte was mit dem Blumenhändler hier zweihundert Meter die Straße runter.
Sie sind bestimmt dran vorbeigekommen.«

    Das kam unerwartet. »Das tut mir leid«, sagte ich.

    Er sagte bitter: »So ist das Leben. Meine Kinder sind erwachsen,
meine Frau ist weg. Jetzt habe ich das Haus ganz für mich.«

    Er wollte trotzig klingen, aber tiefe Traurigkeit beschwerte
jedes seiner Worte. Ich erkannte mein eigenes Leid aus der Zeit meiner
Scheidung. Mein Haus hatte ich auch für mich allein, aber ich hatte es selbst
gewählt und für mich war es ein Neuanfang. Grams war mit den Geistern der

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