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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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neuem Regen abgelöst werden würde, für den
Moment aber unterband er sehr eindrucksvoll jeden Versuch, weiter als zwanzig
Meter zu sehen.

    Â»Dort wirst du nicht viel erkennen«, sagte Nina hinter
meinem Rücken.

    Als ich mich zu ihr umdrehte, verschüttete ich beinahe
meinen Kaffee. Ich kannte sie nur mit zweckmäßig zusammengebundenen Haaren. Das
sah zwar auch attraktiv aus, war aber kein Vergleich zu dem Anblick, den sie
jetzt bot. Ihre Haare fielen locker und leicht gestuft über ihre Schultern,
umrahmten ihr Gesicht und umspielten ihren Hals. Als ich ihren Haaren folgte,
sah ich, wie sie die letzten beiden Knöpfe ihrer Bluse zuknöpfte. Ich schaffte
es, den Kaffee in meinem Becher zu behalten und den Kaffee in meinem Mund hinunterzuschlucken.
Aber es war definitiv zu spät, um wegzuschauen.

    Nina hatte anscheinend nichts bemerkt. Sie lächelte und
fragte: »Wollen wir losfahren?«

    Nachdem ich meine Fassung wieder eingesammelt hatte,
stellte ich den Becher in die Spüle und folgte Nina in den Flur. Ich kam ihr
nah genug, um festzustellen, dass sie noch besser roch, als alle Morgendüfte im
Flur zusammengenommen. Und überhaupt nicht nach einem Arbeitstag.

    Der Nebel sog mich wieder zurück zu meinen Aufgaben als
Polizist und unseren Plänen für den Tag. Als wir die Autotüren zuschlugen,
hielt ich mich für fahrtüchtig.

    Â»Auf geht’s«, sagte ich. »Ich habe eine Anfahrtsskizze zum
Präsidium in Münster und eine zu Elias Grams ausgedruckt.«

    Die Fahrt verlief ruhig, und ungefähr dreißig Kilometer
vor Münster wählte Nina das Präsidium an.

    Das Telefonat war kurz und ließ sie unzufrieden zurück.
Sie starrte mit gerunzelter Stirn auf ihr Handy. Dann sagte sie: »Wir sollen
ins Präsidium kommen. Von dort aus fahren wir gemeinsam mit unserem Kollegen,
Hauptkommissar Seybold, zu Elias Grams. Herr Grams erwartet uns um 9:30 Uhr und
hat sich ungefähr eine Stunde für uns Zeit genommen.«

    Ich konnte Nina aus dem Augenwinkel nicht genau genug anschauen,
deshalb fragte ich: »Meinst du das ernst?«

    Â»Ob ich das ernst meine? Du meinst wohl, ob die das ernst
meinen!« Ärger klang in ihrer Stimme mit.

    Â»Und, meinen die das ernst?«

    Â»Ja, das tun sie.« Nina stopfte ihr Handy wieder zurück
in ihre Tasche. »Das meinen die vollkommen ernst.«

    Â»Die sind eben doch sehr fürsorglich«, stellte ich fest.

    Â»Die behandeln uns wie kleine Kinder«, gab Nina zurück.

    Ich verstand ihren Ärger, denn das mochte ich auch nicht.
Rein formal waren wir zwar zuständig und konnten allein vorgehen. Aber je
nachdem, wie sich die Dinge entwickelten, war es nicht schlecht, Unterstützung
aus Münster zu bekommen.

    Â»Immerhin lassen sie uns mit ihm sprechen.« Ich hatte es
auch schon erlebt, dass Kollegen fragten, was wir wissen wollten, und die
Befragung dann selbst durchführten.

    Nina schnaubte verächtlich und schnappte sich die Anfahrtsskizze
zum Präsidium. Sie lotste uns durch die Innenstadt, die sogar zu dieser
Jahreszeit und bei diesem Wetter von Radfahrern beherrscht wurde. Wir fanden
einen Parkplatz und meldeten uns gehorsam beim Pförtner. Dann nahmen wir ebenso
gehorsam Platz und warteten.

    Unser Kollege stellte sich tatsächlich als Kriminalhauptkommissar
Seybold vor. Ich war froh, dass er nicht über noch mehr Titel verfügte, sonst
wäre die Anrede kompliziert geworden. Er wirkte sachlich, nüchtern und
kontrolliert. Er schüttelte uns ein wenig distanziert die Hand, obwohl mir
nicht entging, dass er Nina von Kopf bis Fuß musterte und dabei einschlägigen
Körperzonen besondere Aufmerksamkeit schenkte. Nina wirkte im Vergleich zum Morgen
nun mindestens ebenso distanziert wie Kommissar Seybold. Trotz Ninas zusammengebundener
Haare und versteinerter Miene begannen Seybolds Augen bei ihrem Anblick zu glühen.
Wäre er an meiner Stelle in Ninas Wohnzimmer gewesen, wäre er bestimmt ohnmächtig
zusammengebrochen.

    Â»Willkommen in Münster«, sagte er floskelhaft.

    Â»Vielen Dank. Wollen wir gleich losfahren?«, fragte ich.

    Â»Ja, wir müssen die Details des Falls hinterher besprechen,
fürchte ich.« Es fiel ihm schwer, mich anzuschauen.

    Auf dem Weg zum Parkplatz schaffte es Seybold durch ein
geschicktes Abbiegemanöver, sich neben Nina zu schieben und mich als Anhängsel
in die zweite Reihe zu

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