Gegen jede Vernunft
„Und Sie machen auf mich den Eindruck einer sehr klugen Frau, Miss Stanislaski.“
„Zumindest würde ich mich gerne dafür halten“, murmelte Rachel. „Aber das macht es nicht weniger problematisch.“
„Diese Art von Problematik ist doch genau das, was das Leben lebenswert macht, meinen Sie nicht auch? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendetwas gibt, das Sie von Ihrem Weg aufhalten könnte. In der Zwischenzeit sehen Sie zu, dass Sie sich und Ihren Mandanten gut auf die Anhörung vorbereiten.“
Als Beckett schließlich aufstand, erhob sich Rachel augenblicklich. „Richterin Beckett, wegen heute Abend ...“
„Ich kam nur, um einen Drink einzunehmen. Die Bar gefällt mir. Sauber, freundliche Atmosphäre. Und was meine Entscheidung betrifft, so wird sie nur davon abhängen, was ich im Gerichtssaal sehe und höre. Haben wir uns verstanden?“
„Ja. Danke.“
„Und sagen Sie Mr. Muldoon, dass er einen exzellenten Manhattan mixt.“
Völlig verdutzt sah Rachel zu, wie Richterin Beckett die Bar verließ.
„Wie schlimm ist es?“ fragte Zackary hinter ihr. Rachel schüttelte schwach den Kopf und griff nach seiner Hand. „Sie mag deine Drinks.“ Sie wandte sich zu ihm um und umarmte ihn. „Ich glaube, ich habe gerade eine weitere intelligente Frau mit einer Schwäche für harte Jungs kennen gelernt.“
„Wenn Nick nicht zurückkommt ...“
„Er wird zurückkommen.“ Sie musste einfach daran glauben. Musste Zack davon überzeugen, dass sein Bruder zurückkommen würde. „Er ist wütend, und er ist verletzt. Aber er ist nicht dumm.“ Sie drückte seine Hand noch einmal fest und lächelte. „Er ist dir sehr ähnlich.“
„Ich hätte ihn nicht schlagen dürfen.“
„Verstandesmäßig kann ich dir nur zustimmen, aber was das Gefühlsmäßige betrifft ...“ Leidenschaftund Temperament gehörten nun mal zum Leben. „Ich habe meine Brüder so oft erlebt, wie sie sich gegenseitig verprügelt haben. Ich glaube nicht daran, dass deshalb die Welt untergeht.“ Sie küsste ihn sanft auf die geschwollene Lippe. „Wenn Nick zurückkommt, sollte ich besser nicht mehr hier sein. Aber ruf mich bitte sofort an, wenn er da ist, ganz gleich zu welcher Zeit.“
„Du solltest nicht allein nach Hause gehen“, bemerkte er besorgt.
„Ich nehme mir ein Taxi.“ Die Tatsache, dass er nichts mehr dazu sagte, zeigte ihr, wie zerstreut er war. „Wir kriegen das wieder hin, Zack. Ganz sicher. Vertrau mir.“
„Okay, ich werde dich anrufen.“
Sie trat zur Bar hinaus und ging zur Straßenecke, um ein Taxi einzuhalten. Vertrau mir, hatte sie zu ihm gesagt. Sie hoffte von ganzem Herzen, dass sie sich dieses Vertrauens würdig erweisen konnte.
11. KAPITEL
R achel hätte gerne ihren Bruder Alex eingeschaltet, als sie nach Hause kam, aber sie hatte Angst, Nick noch wütender zu machen, wenn ein Polizist seine Antennen, wenn auch inoffiziell, nach ihm ausstreckte.
Also konnte sie nur abwarten. Allein.
Sie gaben schon ein seltsames Trio ab, überlegte sie, während sie unruhig von einer Ecke des Zimmers in die andere ging und der frisch aufgebrühte Tee immer kälter wurde. Nick, jung und voller Trotz, der überall Zurückweisung und Betrug witterte und so verzweifelt nach seinem Platz auf dieser Welt suchte. Zackary, unermesslich großzügig und gutherzig, genauso aufbrausend und temperamentvoll und verletzlich wie sein Bruder. Und sie selbst, die ehrgeizige Anwältin, die für sich in Anspruch nahm, so logisch und sachlich an die Dinge heranzugehen, und sich dabei in beide Männer verliebt hatte.
Wie hat das alles geschehen können? fragte sie sich und rieb die müden Augen. Sie war doch diejenige, die immer so sehr darauf pochte, dass alles klar und ordentlich organisiert zu sein hätte. Die so stolz darauf war, immer genau zu wissen, was sie wollte und wie sie es erreichen konnte. Jeden Schritt hattesie immer genau überlegt und geprüft, jede Option wurde genauestens erwogen und beurteilt.
Sie hatte alles genau geplant und kalkuliert.
Alles, bis auf Zackary Muldoon.
Weil sie sich mit ihm eingelassen hatte, weil sie ihr Herz über ihren Verstand gestellt hatte, hatte sie ein fürchterliches Chaos angerichtet. Es war gut möglich, dass Nick in seiner Wut und seiner Enttäuschung diese Nacht dazu nutzen würde, um sich bewusst in Schwierigkeiten zu bringen. Und dann konnte Richterin Beckett so viel Verständnis zeigen, wie sie wollte. Wenn Nick die Bewährungsauflagen brach, würde ihr nichts
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