Gegen Vaters Willen
aufgeregt waren und sich hungrig auf ihr Fressen stürzten, erleichterte die Arbeit keineswegs. Er schubste sie beiseite und füllte die Tröge. Als er aus der Scheune getreten war, lehnte er sich keuchend an die Wand und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Für einen kleinen Moment dachte er daran, dass er Leons Angebot hätte annehmen sollen. Ein Arzt würde ihm vielleicht die Schmerzen nehmen, doch wer sollte den bezahlen? Seine Eltern waren nicht versichert, und Jon McCoy würde einen Teufel tun und die Rechnung eines Arztes zu tragen. Schon gar nicht für so eine in seinen Augen Lappalie.
Er sah seinen Vater, der aus dem Haus trat und ihm einen mürrischen Blick zuwarf. Nicht im Leben würde er klein beigeben. Und wenn ihm das Bein abfaulen würde. Also biss er wieder die Zähne zusammen und versuchte, einigermaßen sicher auf beiden Beinen ins Haus zu kommen. Er hopste die Treppe hoch und ließ sich völlig erledigt auf sein Bett fallen. Durch seinen Körper zog sich eine tiefe Schwere, und er wollte nichts weiter als schlafen. Doch stattdessen stand er auf, zog sich aus und begutachtete den Verband, den Leon ihm gestern verpasst hatte. Er saß noch immer relativ ordentlich und fest, doch rote Flecken zeigten deutlich, dass er stärker geblutet hatte als angenommen. Mühselig und unter Schmerzen wusch er sich, wobei er immer wieder Gefahr lief, den Halt zu verlieren. Nachdem er sich wieder in seine Klamotten gequält hatte, schulterte er seinen Rucksack und trat langsam, Stufe für Stufe, die Treppe hinunter.
„Setz dich. Bist du sicher, dass du keinen Arzt brauchst?”, fragte seine Mutter, die sich sichtlich Sorgen machte, und stellte ihm eine Tasse Kaffee vor die Nase.
Er nickte, zwang sich zu einem Lächeln und biss in eine Scheibe Toast. Das Angebot, sie könne ihn zur Schule bringen, lehnte er dankend ab.
„Wir wissen beide, dass Dad dich hier nicht weglässt. Nein, ein Freund holt mich ab.”
Sein Vater kam in die Küche zurück. „Ein Freund? Kümmere dich lieber um deine Arbeit als um Freunde”, versprühte er sofort wieder Unfrieden.
„Das lass mal meine Sorge sein, Dad.” Ryan konnte den Anblick nicht länger ertragen, also stand er auf, gab seiner Mutter einen Kuss auf die Wange und wollte gerade das Haus verlassen, als sein Vater ihn zurückpfiff, um ihm mitzuteilen, dass er am Vormittag zum Markt fahren und erst am morgigen Abend zurück sein würde.
Obwohl diese Information Ryan unendlich freute, nickte er nur knapp.
„Du weißt, was hier zu tun ist?”, fragte sein Vater mit einem fast schon drohenden Unterton.
„Ja, Dad, ich bin ja nicht blöde, auch wenn du es anders siehst”, knurrte er, und wütend, jedoch innerlich einem Jubelschrei nahe, humpelte er über den Hof. An der Straße ließ er sich auf einen Felsblock fallen, als Toby und Lance durch das Tor fuhren und kurz vor ihm anhielten. Ryan, der gerade dabei war, sich eine Zigarette anzuzünden, schaute auf und begrüßte die beiden jungen Männer.
„Morgen, Ryan. Auf was wartest du denn?”, fragte Toby.
„Auf meinen Chauffeur”, grinste Ryan und schnippte die Asche ab.
„Dein Vater fährt heute weg, oder?”, wollte Lance wissen.
Ryan nickte nur.
„Na, Gott sei Dank, dann ist es mal weniger stressig. Also, bis nachher.”
„Ja, bis später.”
Der Wagen fuhr weiter auf den Hof der Ranch, und nur wenige Minuten später erkannte Ryan das Auto von Leon.
Der bremste ab und sprang aus dem Wagen. „Hey, wie geht es dir?”
Ryan überlegte kurz. „Keine Ahnung. Ich denke, mir fault demnächst mein Bein ab, aber sonst ist alles super”, antwortete er trocken, und Leon starrte ihn schockiert an.
„Das war ein Scherz. Es geht schon”, wollte Ryan ihn beruhigen, doch als er aufstehen wollte, knickte sein Bein ein und er ließ sich unter leisem Stöhnen auf den Stein zurücksinken. Irgendwie schien die Kraft seine Beinmuskulatur komplett verlassen zu haben.
„Geht wohl doch nicht, was?”, stellte Leon lapidar fest.
„Doch. Ich muss nur hier hochkommen.” Ryan stand der Schweiß auf der Stirn.
„Komm schon, spiel nicht den Helden. Ich fahr dich jetzt zu meinem Vater.” Leons Worte duldeten keinen Widerspruch. Und doch wehrte Ryan sich vehement.
„Nein. Hör mal, Leon, wir sind nicht versichert. Mein Vater wird die Rechnung nicht bezahlen.”
Leon seufzte unschlüssig und zuckte dann mit den Schultern. „Es ist meine Schuld. Wenn ich dich nicht mitgezogen hätte, wäre das
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