Gegen Vaters Willen
durch seinen Körper zog. Ihre Lippen waren weich und warm und es fühlte sich unglaublich gut an. So gut, dass seine Zunge automatisch über ihre Lippen glitt, die sich langsam öffneten. Sie versanken in einem tiefen, leidenschaftlichen Kuss.
Nach einigen langen Momenten lösten sie sich voneinander.
Michelle setzte sich gerade hin, schaute auf die weiße Rose in ihrer Hand und lächelte. „Du kannst gut küssen!”, sagte sie. „Aber … Leon, ich denke nicht, dass wir das tun sollten.”
„Ja, der Gedanke kam mir auch gerade. Was nicht heißt, dass es nicht sehr schön war.”
„Es ist wegen Ryan, oder? Also, wir sollten es wegen ihm nicht tun.” Michelle war sich nicht sicher, doch sie erinnerte sich an seinen Gesichtsausdruck, als er mitbekommen hatte, dass die beiden sich verabredet hatten.
„Ja, ich denke, es ist wegen ihm.” Leon legte die Hände ans Lenkrad und runzelte die Stirn. „Möchtest du nach Hause?”
„Ja, ich muss morgen wieder früh raus. Ich habe noch Training vor der Schule.”
Leon startete den Motor und fuhr die Straßen entlang, bis er vor Michelles Haus stehen blieb.
„Leon, ich hoffe, du verstehst es jetzt nicht falsch. Der Abend war trotzdem sehr schön.”
„Keine Sorge, ich versteh es nicht falsch. Ich fand es auch schön. Schlaf gut. Wir sehen uns morgen.”
Bevor Michelle ausstieg, beugte sie sich zu ihm und küsste ihn sanft. Er konnte einfach nicht widerstehen, schob seine Hand in ihren Nacken und erwiderte den Kuss zärtlich. Dann lächelte sie und küsste ihn noch mal auf die Wange. „Danke”, sagte sie leise und stieg aus.
Leon wartete, bis sie im Haus war und startete den Motor. Er hatte nicht vor, jetzt schon nach Hause zu fahren. Er brauchte jetzt frische Luft und so fuhr er zu dem kleinen See, den er schon vor einigen Tagen entdeckt hatte. Er parkte das Auto am Waldrand, lief den Hang hinunter und setzte sich ans Ufer. Seine Hand glitt in die Jackentasche, wo er eine Zigarette und ein Feuerzeug herausholte. Dann war nur noch die rote Glut in der Dunkelheit zu sehen. Er war verwirrt. Der Abend mit Michelle war wirklich schön gewesen und sie hatten sich gut verstanden. Auch ihre Küsse waren toll, doch es hatte ihm nichts gegeben, nicht so, wie es das sollte. Irgendwie konnte er nicht aufhören, an Ryan und seinen miesen Vater zu denken. Solche Grausamkeiten kannte er nicht. Nie wurde in seiner Familie die Hand erhoben. Klar gab es auch mal Streit und wenn Leon und sein Vater aneinander gerieten, war es wirklich nicht mehr schön, doch er liebte seine Eltern. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Vater eine der Geschwistern je schlagen würde …
Ein lautes Dröhnen riss ihn aus seinen Gedanken. Rechts neben ihm verliefen die Bahngleise und er konnte in der Ferne schon die Scheinwerfer des Zuges erkennen, doch warum gab er Warnsignale von sich? Leon stand auf und schaute sich um, bevor er die Augen aufriss und blinzelte. Auf den Gleisen lief jemand gemütlich spazieren. Instinktiv reagierte Leon, als er den Hang hinaufkletterte.
„Hey!”, schrie er laut.
Die Person wandte ihm den Kopf zu, blieb stehen und Leon riss an dem fremden Arm, nur Sekunden bevor der Zug ungebremst an ihnen vorbeirauschte. Er verlor das Gleichgewicht, stürzte, riss den Fremden mit sich und fiel den Hang hinunter. Auf der Wiese am See blieben sie liegen. Ein dumpfer Schmerz zog sich durch Leons Rücken, doch er hob den Kopf und blickte zu der Person, die vor ihm im Gras lag. Er traute seinen Augen kaum.
„Ryan?”, platzte er fassungslos heraus, denn damit hatte er nun nicht gerechnet.
Der hob nun ebenfalls den Kopf. „Himmel, was soll die Scheiße?”, fluchte er laut.
„Scheiße? Ich ... sag mal, spinnst du?” Leon rappelte sich auf und krabbelte auf allen Vieren zu Ryan, der sich nun auf den Rücken drehte.
„Leon? Was zum Geier treibst du hier? Und warum zerrst du mich den Hang runter?” Ryan klang ziemlich aggressiv, eine Tatsache, die Leon gar nicht verstand.
„Ich … Wieso denn ich? Warum gehst du auf den Bahngleisen spazieren? Hör mal, ich kann ja verstehen, dass dich das mit deinem Vater alles ankotzt, aber das ist doch kein Grund Schluss zu machen!”
„Wie … Was?” Ryan versuchte sich aufzusetzen, doch der Schmerz in seinem Bein nahm ihm beinahe die Luft. „Ich wollte mich nicht umbringen! Wie kommst du da drauf?”, fauchte er.
„Warum gehst du dann da oben spazieren?”, gab Leon nicht minder aggressiv zurück.
„Um meinen Kopf frei
Weitere Kostenlose Bücher