Gegen Vaters Willen
„Ich bleibe nicht mehr lange. Meine Mum ist allein zu Hause. Sie kann sich auch um mich kümmern.”
„Oh … naja, wenn du das willst. Ist dein Vater nicht da?”
Ryan zog irritiert die Augenbrauen hoch, denn ihm war der enttäuschte Ton in Leons Stimme nicht entgangen. Oder hatte er sich den eingebildet? Wie, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, schüttelte er diesen und antwortete: „Nein, er ist bis morgen Abend auf dem Markt. Aber ich muss auch mit den Leuten reden, die für meinen Vater arbeiten. Ich weiß nicht, ob sie allein klar kommen.”
Leon musterte ihn schweigend, und weil Ryan die Stille unangenehm war, fügte er schnell hinzu: „Also, sie kommen bestimmt allein klar. Ich muss ihnen nur sagen, dass ich nichts tun kann.”
„Wie wäre es, wenn Ihre Mutter heute Abend zum Essen vorbeikommt? Rufen Sie sie an. Dann bleiben Sie noch bis heute Abend, und mein Mann kann Sie noch einmal untersuchen”, sagte Mrs. Blake, die soeben auf die Terrasse gekommen war. Sie hatte die Jungs schon eine Weile beobachtet und diese Idee war ihr gekommen, als sie gesehen hatte, wie wohl vor allem ihr Sohn sich in der Gesellschaft des anderen jungen Mannes fühlte.
„Das ist sehr nett, aber nach allem, was Sie schon für mich getan haben, kann ich das nicht auch noch annehmen”, hörte sie Ryan sagen, doch sie schüttelte energisch den Kopf.
„Oh, nun hören Sie aber auf. Sie tun ja gerade so, als wären Sie eine Belastung!”
„Ich …”, setzte der junge Mann zu einer weiteren Entschuldigung an, doch diesmal war es Leon, der ihn nicht aussprechen ließ.
„Du hast meine Mum gehört. Ruf deine Mutter an, und hör auf zu diskutieren”, lachte der und sah dann zu seiner Mutter hoch. „Er lernt es einfach nicht!”
Ryan lachte leise, nahm von Mrs. Blake das schnurlose Telefon entgegen und wählte die Nummer der Farm. Für einen kurzen Moment hoffte er, seine Mutter wäre vielleicht gerade draußen und würde es nicht hören, doch nach dem zweiten Klingeln war seine Mutter bereits am Apparat.
„McCoy?!”
„Hey, Mum!”
„Ryan! Was ist los?” Eileen McCoy klang aufgeregt.
„Erstmal möchte ich, dass du ruhig bleibst. Mir geht es gut, okay?”
„Ja, aber was …”
„Ist Dad noch da?” Er wollte nicht, dass sein Vater etwas mitbekam und seiner Mutter schlimmstenfalls noch Ärger machte.
„Nein, er ist vor einer Stunde gefahren.”
„Gut, also hör zu. Ich bin heute nicht in der Schule gewesen. Ich habe dir doch erzählt, dass mich ein Freund abholt … also heute Morgen.”
Er sah, wie Leon die Augenbrauen hob und grinste, was ihm selber ein kleines Lächeln entlockte.
„Also, Leons Vater ist Arzt, und der hat mein Bein untersucht. Nun bin ich bei Leon zu Hause, weil selbst Leon und sein Vater bereits gemerkt haben, dass ich zu Hause wohl kaum das Bein hochlegen könnte, so lange Dad da rumturnt und Anweisungen brüllt. Mrs. Blake meinte eben, sie würde sich freuen, wenn du heute Abend zum Essen herkommst. Hinterher können wir dann gemeinsam zurückfahren.”
„Das können wir doch nicht annehmen!”, rief seine Mutter sofort.
„Jaah, das hab ich Leon und seiner Mutter auch gesagt, aber sie meinten, ich soll aufhören zu diskutieren. Mit den beiden kannst du aber auch nicht diskutieren, glaub mir!” Ryan zwinkerte Leon zu, auf dessen Wangen sich ein dezenter Rotton legte. Überrascht runzelte Ryan die Stirn und konzentrierte sich wieder auf seine Mutter, die gerade einlenkte: „Na gut, wenn sie drauf bestehen. Wo wohnt er denn?”
„In der Landresroad … ähm … warte.” Ryan warf Leon einen fragenden Blick zu. „Welche Hausnummer?”
„1733.”
„Landresroad 1733. Ist ein großes, weißes Haus.”
„Gut, dann bin ich gegen sechs da.”
„Fein. Sag mal, ist Julius in der Nähe?”, erkundigte sich Ryan nach dem Vorarbeiter der Farm.
„Ja, die drei machen gerade Mittagspause.”
„Gib ihn mir bitte mal ans Telefon.” Ryan wartete einen Moment und gab Mrs. Blake ein Zeichen, dass seine Mutter zugesagt hatte.
Da meldete sich auch schon eine warme, weiche Stimme am anderen Ende der Leitung. „Hier ist Julius. Was gibt’s?”
„Hey, Julius. Also, ich weiß nicht, ob ihr es schon gehört habt, aber ich bin verletzt. Ich war heute beim Arzt, und es wäre nett, wenn mein Vater nichts davon erfährt.”
„Kein Problem. Was hast du denn?”
„Mein Bein ist hinüber. Ich darf es nicht belasten. Morgen Abend mach ich meine Arbeit, aber …”
„Ryan, nun
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