Gegensätze ziehen sich aus
roten Mini Coopers gebremst wurde.
Ich machte erschrocken wieder den Motor aus. »Ach Mama!«, rief Nelly genauso erschrocken. »Du bist echt dämlich!«
So schnell konnte das gehen. Eben noch megacool, jetzt einfach nur noch dämlich.
»Mama, krieg ich eine Lava-Lampe?«, fragte Julius.
* * *
Als wir nach Hause kamen, saß Nellys Freund Kevin auf der Treppe unter dem Vordach der Haustür und lächelte uns fröhlich entgegen.
Ich lächelte zurück.
Dabei war Kevin Klose, Sohn des kleinkriminellen Gebrauchtwagenhändlers und Vorzeigeproleten der Insektensiedlung wirklich nicht der Typ Junge, den ich mir für meine Tochter ausgesucht hätte, wenn ich gekonnt hätte. Mit seinen asymmetrisch geschorenen Haaren, den Ohr-Piercings und den Tattoos sah er wenig vertrauenerweckend aus, vor allem, wenn er von den Familienkampfhunden, Hannibal und Lecter, begleitet wurde. Außer den Kampfhunden gab es bei Kloses zu Hause noch Vogelspinnen, Riesenschlangen, zwielichtige, russische Autoschieber sowie zahlreiche jüngere Geschwister mit Namen wie Melody und Shakira, und selbst die Kleinsten sahen so aus, als könnten sie gut mit Springmessern umgehen.
Mittlerweile wusste ich aber, dass Kevin völlig harmlos war, ein perfekt getarnter Musterschüler, der niemals die Schule schwänzte oder seine Hausaufgaben vergaß. Und trotz der unschönen Frisur, den Tattoos und Piercings war er sehr hübsch mit seinen schräg stehenden grünen Augen und seiner glatten, pickellosen Haut. In seinen Gesten war eine Lässigkeit und Anmut, die ihn ganz klar von anderen Jungs seines Alters unterschied.
Was mich aber am meisten für ihn einnahm, war, dass er so unheimlich lieb zu Julius war und sich rührend um seine jüngeren Geschwister und das Baby seiner großen Schwester kümmerte, die, glaube ich, Arielle hieß und eine Friseurlehre machte.
Auch diesmal hatte er das Baby, Sämänta, dabei, und einen Kinderwagen, über den eine rosagepunktete Regenhaube aus Plastik gebreitet war.
Nelly stöhnte, als sie Samantha erblickte, die bei Kevin auf dem Schoß saß. Samantha war knapp ein Jahr alt und sehr niedlich. Nur das Schleifchen, mit dem ihre Babylocken aus der Stirn gehalten wurden, erinnerte mich immer an einen Yorkshire-Terrier.
»Hat Anton euch nicht aufgemacht?«, fragte ich und suchte nach dem Haustürschlüssel.
»Wir haben gar nicht geklingelt«, sagte Kevin. »Samantha braucht ein bisschen frische Luft, aber unter der Regenfolie kriegt sie die ja nicht!«
»Ich wollte aber jetzt eigentlich nicht den Nachmittag unter diesem Vordach verbringen«, sagte Nelly.
»Natürlich nicht«, sagte Kevin. »Wir nehmen sie mit in dein Zimmer. Da kann sie dir zeigen, was sie gestern gelernt hat. Nicht wahr, Sammy? Zeigst du der Nelly, was du kannst?« Flüsternd setzte er hinzu: »Sie kann laufen !! . Vier Schritte!«
»Oh! Das ist ja toll«, flüsterte ich zurück.
»Gaga!«, rief Samantha.
Nelly verdrehte die Augen. »Na, toll!«
Sie tat mir ein bisschen leid. Offensichtlich hatte sie sich auf einen gemütlichen Nachmittag mit Kevin allein gefreut. Knutschend auf ihrem Bett. Kleine Kinder fand sie nicht die Spur interessant, nicht mal ihren eigenen Bruder.
»Vielleicht können Julius und ich uns ein bisschen um Samantha kümmern«, schlug ich vor, während ich die Tür aufschloss.
»Sie kann mit mir Lego bauen«, bot Julius an.
»Lieb von dir, aber das geht nicht«, sagte Kevin. »Das letzte Mal hätte sie beinahe einen Lego-Stein verschluckt, weißt du nicht mehr?«
Nelly schnaubte verächtlich. »Sie hat ihn nur angesabbert, Mann!«
»Julius und ich könnten zusammen mit Samantha einen Kuchen backen.« Ich streckte meine Arme nach dem Baby aus. Kevin überreichte sie mir nur zögerlich.
»Mir ist noch nie ein Kind von der Arbeitsplatte gefallen«, versicherteich ihm. »Auch wenn man das bei Nelly manchmal denken könnte.«
»Warum kann deine Schwester nicht selber auf ihr Bai... Kind aufpassen?«, fragte Nelly. »Heute ist schließlich Sonntag.«
»Sie braucht auch manchmal ein paar Stunden für sich«, sagte Kevin.
»Das brauche ich auch«, sagte Nelly.
Anton kam aus dem Keller und lächelte alle an. Mich am meisten.
»Was machst du in unserem Keller?«, fragte Nelly mit gerunzelter Stirn.
»Ich habe die Heizung umprogrammiert, das vorsintflutliche Modell«, erwiderte Anton, ohne sein Lächeln einzustellen. »Ich dachte, vierzehn Grad Raumtemperatur sind ein bisschen wenig, jetzt wo der Sommer vorbei ist.«
Nelly nickte
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