Gegensätze ziehen sich aus
Installateur-Geschichte und Tante Gertis verstopftem Abfluss von 1976.
»Ich verstehe dich trotzdem nicht«, sagte sie, als ich am Schluss meiner Litanei angekommen war. »Wie sollten deine Eltern Anton wohl vertreiben können?«
»Indem sie ihm Gemeinheiten über mich erzählen!«
»Blödsinn«, sagte Mimi. »Sieh mal, wenn Ronnies Mutter es nicht geschafft hat, mich zu vertreiben, dann werden deine Eltern das mit Anton sicher auch nicht schaffen.«
»Du verstehst das nicht.«
»Das sag ich ja.«
»Ich meine, Ronnies Mutter wollte dich vertreiben, weil sie ihren Ronnie so wunderbar fand, dass er in ihren Augen selbst für eine Frau wie dich zu schade war.«
Mimi schnaubte durch die Nase. »Warum sprichst du in der Vergangenheitsform? Sie ist immer noch der Meinung, ihr Ronnie-Schatzi hätte was viel Besseres als mich verdient. Erst recht seit der Fehlgeburt.«
»Siehst du, und exakt das ist der Unterschied: Meine Eltern denken genau anders herum: Sie finden, dass selbst ein arbeitsloser, alkoholkranker, kettenrauchender Exknacki, der in seiner Freizeit gern in Frauenkleider schlüpft, was Besseres als mich verdient hätte.«
»Aber warum?«
»Was weiß ich?« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, ich habe nur Psychologie studiert, um das herauszufinden. Fakt ist, dass sie Anton nicht kennen lernen sollten.«
»Aber Constanze, Anton liebt dich, ganz egal, was deine Eltern ihm sagen werden.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du kennst sie nicht so gut wie ich. Sie werden ihm das Gefühl geben, er tue ein wohltätiges Werk. Sie werden ihm vermitteln, dass er der allergrößte Vollidiot sein muss, wenn er sich mit mir abgibt. Das haben sie mit Lorenz auch gemacht, und du siehst ja, was aus uns geworden ist.«
Mimi legte einen Arm um meine Schultern. »Schnucki, ich kenne deinen Lorenz zwar nicht besonders gut, aber ich fürchte, was er getan hat, hat absolut nichts mit deinen Eltern zu tun. Jetzt entspann dich einfach mal.«
Das versuchte ich doch schon seit drei Tagen, aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Meine einzige Hoffnung blieb weiterhin, dass meine Eltern an Köln vorbeirauschen würden, wenn sie einmal auf der Autobahn waren.
»Egal, was deine Eltern von dir halten: Du bist eine ganz großartige Person, und Anton kann sich glücklich schätzen, dich gefunden zu haben«, sagte Mimi.
»Du bist sehr lieb«, sagte ich. »Jetzt fühle ich mich schon weniger schlecht.«
»Ist schön, wenn zur Abwechslung mal ich dich ein bisschen aufrichten kann«, sagte Mimi.
Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen.
»Ich weiß, das sind eigentlich gar keine Probleme«, sagte ich. Als Mimi die Fehlgeburt gehabt hatte, war es ihr wochenlang sehr schlecht gegangen, und beinahe wäre sogar ihre Ehe zerbrochen. Jetzt hatten sich die beiden wieder zusammengerauft, und es schien ihnen besser zu gehen. Aber das war sicher nicht mein Verdienst. Das Einzige, was ich getan hatte, war Händchen halten und mitweinen. »Spricht Ronnie immer noch im Schlaf?«
Mimi schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich habe trotzdem das Gefühl, er verheimlicht mir etwas.« Sie seufzte.
Mimi und Ronnie hatten sich nichts sehnlicher gewünscht alsdieses Kind. Jahrelang hatten sie versucht, schwanger zu werden, und als es endlich geklappt hatte, waren sie überglücklich gewesen.
Dass Menschen wie Ronnie und Mimi, die so viel zu geben hatten, keine Kinder bekamen, während andere, die weder welche wollten noch gut für sie sorgen konnten, eins nach dem anderen kriegten, war traurig und irgendwie auch ungerecht.
Ich bewunderte die beiden, weil sie versuchten, nicht mehr mit dem Schicksal zu hadern, sondern sich damit zu arrangieren. Man kann auch ohne Kinder ein erfülltes und glückliches Leben führen, war ihre neue, offizielle Devise, und ganz sicher hatten sie damit recht. Trotzdem, es brach einem das Herz, wenn man wusste, dass sie sich eigentlich vom Leben gewünscht hatten, Eltern zu werden. Eine Familie zu sein.
»Warum versucht ihr es denn nicht einfach noch mal?«, fragte ich leise.
»Nein«, sagte Mimi bestimmt. »Noch mal will ich das nicht erleben. Und Ronnie auch nicht.«
»Aber es könnte auch alles gut gehen. Viele Frauen bekommen nach Fehlgeburten gesunde Kinder.«
»Es könnte aber auch noch einmal passieren«, sagte Mimi. »Das würde ich nicht überleben. Und du hast ja gesehen, wie Ronnie gelitten hat.« Sie setzte sich gerade hin. »Weißt du, es hat durchaus auch Vorteile, keine Kinder zu haben. Zum Beispiel
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