Gegensätze ziehen sich aus
wenn meine Eltern so kurzfristig alle Pläne über den Haufen schmissen.
Begeistert rief ich: »Das ist sooo schön, dass ihr jetzt schon kommt!«
»Wir sind dann zum Mittagessen da«, sagte meine Mutter. »Bitte nichts Schweres. Kein Schweinefleisch. Und nichts mit Käse überbackenes. Und keine Pfirsiche. Olav, auf welchen Knopf muss ich drücken?«
»Auf den roten«, hörte ich meinen Vater sagen, dann war das Gespräch beendet.
Meine Kopfschmerzen waren schlagartig verschwunden.
»Rate mal, wer gleich kommt«, sagte ich zu Julius, als ich ihn wieder vom Kindergarten abholte.
»Anton«, sagte Julius.
»Nein!« Eben nicht! »Oma und Opa. Sie kommen einen Tag früher.«
»Toll«, sagte Julius. »Kommt Anton auch?«
»Anton muss heute Abend ja zu der Ballettaufführung von Emily und kann leider nicht kommen.« Lieber Gott, das ist ja so wunderbar. Danke, dass du meine Gebete erhört hast. Es ist großartig, wie du das alles geplant hast, bis ins kleinste Detail!
»Weißt du was, Krümelchen? Wenn du Oma und Opa nichts von Anton und dem Schuhgeschäft erzählst, bekommst du was Schönes von mir geschenkt.«
Julius sah mich mit großen Augen an. »Was denn?«
So sind Vierjährige. Sie fragen eher »Was denn?« als »Warum denn?«. Sehr sympathisch.
»Eineeeee ... Lava-Lampe!«
»Boah, toll«, sagte Julius. »Die habe ich mir so sehr gewünscht. Und was kriegt Nelly, wenn sie Oma und Opa nichts von Anton und dem Schuhgeschäft erzählt?«
Das musste ich mir noch überlegen.
* * *
Ich lag auf dem Sofa und konnte nicht schlafen. Senta und Berger auch nicht. Sie rollten seit Stunden eine Walnuss über das Parkett.
Der Vollmond schaute mich durch das Wohnzimmerfenster besorgt an.
»Es liegt nicht an dir«, sagte ich zum Mond. »Es liegt an meinen Eltern. Die stressen mich einfach, egal, was sie tun. Ich bin zu aufgekratzt, um zu schlafen.« Und dann macht so eine Walnuss natürlich auch unheimlich Krach.
Der Mond musterte mich ernst. Trudi behauptete immer, der Mond sei in Wirklichkeit eine Mondin, la Luna, aber für mich blieb es »der« Mond, und ich fand auch seine Gesichtszüge sehr männlich. Männlich und gütig.
Trudi konnte das nicht verstehen. Sie fand, dass der Mond eindeutig ein Frauengesicht habe. »Guck doch bitte genau hin. Er sieht aus wie Prinzessin Stephanie von Monaco«, sagte sie immer.
Aber damit ging sie wirklich zu weit. Nichts gegen Prinzessin Stephanie, aber mit dem Mond hat sie wirklich nicht die leiseste Ähnlichkeit.
Es gibt übrigens Menschen wie Lorenz, die sehen überhaupt kein Gesicht im Mond oder sonst wo. Wenn ich mit Julius und Nelly das Wolkenspiel spielte (»Ich sehe eine Wolke, und die sieht aus wie ein Drache, der ein Haus auf dem Rücken hat«), saß Lorenz immer nur fassungslos daneben, den Kopf in den Nacken gelegt.
»Seht ihr da oben den kleinen Frosch?«, fragte Nelly zum Beispiel. »Den, der gerade seine Zunge ausfährt?«
»Ja«, rief Julius dann. »Er will den Igel fressen, der dumme Frosch. Papa, siehst du den Igel auch?«
»Ich sehe da oben nur Wolken.«
»Ja, aber siehst du nicht die Wolke, die aussieht wie ein Igel? Das heißt, jetzt sieht sie aus wie ein dicker König, siehst du?«
»Ich sehe nur Wolken, die aussehen wie Wolken«, brummte Lorenz und war auch noch stolz darauf.
Rumms - die Walnuss donnerte gegen ein Tischbein, und ich schreckte wieder hoch. Der Mond war im Fenster ein kleines Stückchen weiter nach rechts gewandert und guckte immer noch besorgt.
»Das Schlimmste habe ich doch schon überstanden«, sagte ich. »Nur noch das Frühstück, dann sind sie wieder weg. Und eigentlich sind sie doch ganz lieb.« Ja, wirklich: Meine Eltern hatten uns sogar etwas mitgebracht. Das heißt, mir nicht, aber den Kindern: Lego für Julius und ein Zahnputz-Set von Prinzessin Lillifee für Nelly.
Julius hatte sich sehr gefreut und dankbare Küsschen an Oma und Opa verteilt.
Nelly hatte ausgesehen, als müsse sie sich in den Zahnputzbecher übergeben. »Oh toll, vielen Dank! Ich wollte schon immer so einen Plastikbecher mit einer Prinzessin drauf haben. Meine kleinen Freundinnen sind sicher alle schrecklich neidisch, wenn sie das sehen.«
»Ich wollte zuerst noch eine passende Butterbrotbox kaufen«, sagte meine Mutter. »Aber bald ist ja schon Weihnachten.«
»Ja, da freue ich mich schon unheimlich drauf.« Nelly warf mir einen halb wütenden, halb amüsierten Blick zu. »Ich bin nicht vier, ich bin vierzehn!«, zischte sie mir zu.
»Ich weiß
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