Gegensätze ziehen sich aus
kann ich mich jetzt voll und ganz auf diesen Schuhladen konzentrieren. Das macht mir einen Heidenspaß. Viel mehr als mein alter Job.«
»Obwohl du da ein Vermögen verdient hast«, sagte ich. Ich hatte vergessen, was genau Mimi beruflich gemacht hatte, aber es hatte was mit Unternehmensberatung zu tun und einem ellenlangen Studium.
»Das werde ich diesmal auch. Dieser Schuhladen wird ein Bombenerfolg«, sagte Mimi. »Lass dich morgen von den Rechenbeispielen des Bankmenschen bloß nicht runterziehen. Egal, was er sagt: Der von mir angestrebte Gewinn ist keineswegs utopisch. Innerhalb eines Jahres können wir alle vier davon leben, wenn wir es richtig angehen.«
»Es sind aber bloß Schuhe. Keine Diamanten.«
»Das spielt keine Rolle. Und das mit dem Golf spielen kriegst du auch noch hin. Ich könnte mit dir trainieren.« Wirklich?
»Klar. Sobald du die Platzreife hast, nehme ich dich als Gast mit auf den Golfplatz.«
»Die verdammte Platzreife ist ja gerade mein Problem.«
»Unsinn«, sagte Mimi. »Das haben schon viel Unbegabtere geschafft als du. Ronnie zum Beispiel. Und sieh ihn dir heute an, er hat immerhin ein Handicap von 18.«
* * *
In dieser Woche sahen Anton und ich uns überhaupt nicht. Die Tage waren randvoll mit Terminen, und auch die Abende waren dicht. Montags spielte Anton immer Squash mit Ronnie, Dienstag hatte ich Elternabend in Nellys Schule, Mittwoch hatte Anton ein geschäftliches Abendessen, und Donnerstag war Emilys Generalprobe für die Ballettaufführung, die Freitagabend stattfinden sollte. Immerhin telefonierten wir jeden Tag miteinander, abends nach zehn Uhr, wenn die Kinder im Bett lagen. »Was machst du gerade?«
»Ich liege nackt im Bett und denke an dich«, sagte ich. Das war nicht gelogen, wenn man sich das Nachthemd wegdachte. Es war Donnerstagabend halb elf. »Und du?«
»Ich versuche, diese verdammten Bienenköniginnen-Fühler mit der Heißklebepistole festzumachen«, sagte Anton. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Und dabei bin ich nackt und denke an dich.«
Ich kicherte.
»Wie war dein Tag?«, fragte Anton.
»Oh, super. Ich habe viermal den/die/das Tee getroffen, elfmal den Rasen, hundertvierunddreißigmal die Luft, zweimal den Ball und einmal einen Platzwart.«
Anton lachte.
Das war kein Scherz, Doofmann!
»Und wie ist es bei der Bank gelaufen?«
»Oh, die sind ganz scharf darauf, uns das Geld zu leihen«, sagte ich. Das war auch wahr: Der Bankmensch hatte Mimis Kalkulation »ein bisschen optimistisch, aber im Großen und Ganzen glaubwürdig« genannt, und da wir ausreichende Sicherheiten boten, war unser Kredit anstandslos genehmigt worden. »Ich habe zwar immer noch nicht verstanden, warum wir uns das Geld leihen müssen, obwohl wir es doch auf der Bank liegen haben, aber anscheinend machen das alle so.« Wirklich: Ich bekam 4,5 Prozent Zinsen für die Kohle auf meinem Konto und musste nun 6,8 Prozent für das zahlen, das ich mir lieh - der Vorteil dieser Vorgehensweise wollte mir einfach nicht einleuchten.
Anton versuchte mir zum wiederholten Mal zu erklären, dass wir den Kredit als Geschäftsausgaben geltend machen konnten und uns unterm Strich günstiger mit dieser Art der Finanzierung stehen würden. Aber er erklärte es so kompliziert, dass ich ihn nach einer Weile unterbrach.
»Ich habe Sehnsucht nach dir«, sagte ich.
»Siehst du, und das meine ich: Wenn wir zusammen wohnen,können wir wenigstens die Nächte miteinander verbringen«, sagte Anton. »Au! Verfluchte Heißklebepistole! Das Zeug hat ein Loch in meine Jeans gebrannt.«
»Ich dachte, du bist nackt.«
»Gott sei Dank nicht, sonst hätte ich jetzt wer weiß ich was zusammengeklebt«, sagte Anton. »Diese Scheiß-Styroporkugeln wollen einfach nicht halten. Aber das müssen sie, sonst werden wir am Ende noch wegen Körperverletzung verklagt. Bei der Generalprobe vorhin ist der eine Fühler nur haarscharf am Nasenloch einer anderen Biene vorbeigezischt.«
»Na, das wird ja spannend morgen.«
»Ja, unheimlich spannend.« Anton seufzte ein bisschen. »Ich freue mich auf Samstag.«
Ja, da freute ich mich auch drauf. Ungefähr so sehr wie auf eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung. Aber da musste ich jetzt durch. Falls nicht noch ein Wunder geschah.
* * *
Am Freitagmorgen fühlte ich mich krank. Ich konnte nicht genau sagen, wo es wehtat, eigentlich hatte ich von allem ein bisschen: Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Gliederschmerzen, Halsschmerzen. Entweder handelte es sich um ein
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