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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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das«, zischte ich zurück.
    »Sie haben auch einen schönen Malblock von Prinzessin Lillifee«, sagte meine Mutter. »Und so ein feines Täschchen. Und sogar eine Armbanduhr.«
    »Wie süß«, sagte Nelly. »Gibt es vielleicht auch einen BH von Prinzessin Lillifee? Ich könnte nämlich dringend einen neuen gebrauchen.«
    Meine Mutter sah mich tadelnd an. »Warum benutzt sie so schlimme Wörter?«
    »Das ist der schlechte Einfluss der Großstadt, Mutti.«
    Meine Mutter schüttelte den Kopf. Nelly ebenfalls, allerdings grinste sie dabei. Ich flüsterte ihr bei der nächsten Gelegenheit ins Ohr zu, dass Eltern zwar sehr wohl zu einem Teil dafür verantwortlich sind, wie ihre Kinder geraten sind, aber Kinder niemals etwas dafür können, dass ihre Eltern bescheuert sind.
    »Gut, das merke ich mir«, sagte Nelly. Wenig später beugte sie sich wieder zu mir und flüsterte: »Aber ich glaube, so bescheuert wirst du nie sein.«
    Da war ich sehr gerührt.
    Hätten meine Eltern auch nur geahnt, dass Nelly mit jemandem wie Kevin Klose herumknutschte, wären sie wohl auf der Stelle tot umgefallen. Aber eine Konfrontation mit Kevin und seinen Piercings und Tattoos blieb uns erspart, weil Kevin wieder mal auf Samantha und seine kleinen Geschwister aufpassen musste.
    »Er hat gefragt, ob ich vorbeikomme und ihm helfe, ihnen ein Kasperletheater-Stück vorzuspielen«, sagte Nelly. Gott, das war ja so süß.
    Aber Nelly tippte sich an die Stirn. »Ich dürfe auch das Krokodil spielen, hat er gesagt. Das kann man echt keinem erzählen. Da bleibe ich doch lieber zu Hause bei meinen bekloppten Großeltern und meiner bekloppten Mutter und sage nichts über Schuhläden und Menschen, die Anton heißen.«
    »Dankeschön«, sagte ich. »Du bist mir eine echte Stütze.«
    »Ja, und die Dr.-House-DVD können wir ja zusammen gucken«, sagte Nelly.
    Meine Eltern hatten das Haus alles in allem sehr schön gefunden.
    »Das muss man dem Lorenz hoch anrechnen«, sagte mein Vater. »Er hat gut für euch gesorgt.«
    »Er hat hier keinen Finger krumm gemacht«, sagte ich, aber das hatten meine Eltern nicht hören wollen. Auch der riesige Garten fand ihren Beifall.
    »Endlich kommen die Blagen mal an die frische Luft«, sagte mein Vater. »Das hat der Lorenz gut überlegt.«
    »Und was für einen schönen großen Sandkasten ihr habt«, sagte meine Mutter zu Nelly. »Das ist doch besser als der Balkon mitten in der Stadt.«
    »Oh ja«, sagte Nelly. »Da sitze ich den ganzen Nachmittagund backe tolle Sandkuchen, die ich mit Gänseblümchen verziere.«
    Mein Vater trat anerkennend gegen die dicken Balken. »Das hat der Lorenz gut gebaut.«
    Da sagte Julius: »Das hat nicht Papa gebaut, das war Ant...« Ich riss entsetzt die Augen auf.
    Julius schlug sich die Hand vor den Mund und sah mich groß an. »Krieg ich jetzt keine Lava-Lampe?«
    Ich wollte schon loslegen mit einer Geschichte über meine Sandkasten bauende Freundin Antje, da merkte ich, dass meine Eltern dem kleinen Ausrutscher gar keine Beachtung geschenkt hatten. Sie waren zum Baumhaus weitergegangen, und lobten Lorenz' väterliche Baukünste in den höchsten Tönen. Niemand von uns machte sich mehr die Mühe, sie darüber aufzuklären, wer das Baumhaus tatsächlich gebaut hatte.
    Auch auf Anton kam niemand mehr zu sprechen. Es gab nur noch einen weiteren heiklen Augenblick, nämlich, als meine Eltern das Doppelbett in meinem Schlafzimmer sahen.
    »So ein breites Bett für einen allein ist gefährlich«, sagte meine Mutter und schnalzte mit der Zunge. »Denk nur an Tante Gerti.«
    Tante Gerti, die ja nicht zuletzt wegen der Sache mit dem Installateur eine alte Jungfer geblieben war, hatte sich in jungen Jahren trotzig ein Doppelbett für sich allein angeschafft. Und heute war sie so dick, dass sie das Bett auch ohne Mann wirklich gut ausfüllte.
    Mein Vater zwickte mich testweise in die Taille. »Sie hat sich aber noch keinen Kummerspeck angefuttert«, stellte er fest.
    »Na, das liegt daran, dass ich keinen Kummer habe«, sagte ich. »Ich bin ohne Lorenz sehr, sehr glücklich.«
    »Das bist du nicht«, sagte meine Mutter.
    »Das bin ich wohl.« Es war doch wirklich dumm und borniertzu denken, geschiedene Frauen säßen traurig in der Gegend herum. Die meisten, da ging ich jede Wette ein, hatten mehr Spaß als vorher.
    Meine Mutter warf mir einen mitleidigen Blick zu. »Es ist ja gut, dass du dich damit abfindest, allein zu sein. Du findest sowieso keinen Dummen mehr, der dich jetzt noch nimmt,

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