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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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mit den Kindern und in deinem Alter.«
    Da war ich kurz davor zu rufen, dass ich sehr wohl einen Dummen gefunden hatte, und zwar einen viel, viel besseren als Lorenz. Aber ich behielt die Nerven. Besser, meine Eltern hielten mich für eine bedauernswerte Seelenverwandte von Tante Gerti, als dass sie die Wahrheit erfuhren und sich umgehend daran machen konnten, Anton in die Flucht zu treiben.
    »Manchmal denke ich sowieso, das Leben ohne Mann ist nur halb so schlimm, wie man so denkt«, setzte meine Mutter mit einem vielsagenden Seitenblick auf meinen Vater hinzu. »Irgendwann, früher oder später, bleibt ja ohnehin einer allein zurück. Wenn ich du wäre, würde ich mir einfach vorstellen, dass der Lorenz gestorben ist.«
    »Ja, das mache ich«, sagte ich. »Und alle zwei Wochen kommt Lorenz' Geist und holt die Kinder ab.«
    »Wenn einer von uns beiden stirbt, heirate ich nicht mehr«, sagte mein Vater zu meiner Mutter.
    »Wieso glaubst du, dass du länger lebst als ich?«, fragte meine Mutter. »Bei deinem hohen Blutdruck!«
    »Glaub ich ja gar nicht. Ich habe lediglich gesagt, wenn einer von uns beiden stirbt, heirate ich nicht mehr.«
    »Ja, wie denn auch, wenn du tot bist!«
    »Ich glaube ja, die Ehe wird allgemein eher überschätzt«, sagte ich, aber meine Eltern hörten mich gar nicht. Sie stritten sich weiter darum, wer von ihnen als Erster sterben würde.
    Als sie um zehn Uhr ins Bett gingen, atmete ich tief durch und rief bei Anton an. Ich fragte, wie die Ballettaufführung gewesen sei. Anton sagte, die Fühler hätten bombenfest gesessen und Emily sei die schönste von allen Bienen gewesen.
    »Ich vermisse dich«, sagte er dann. »Ich freue mich auf morgen.«
    »Hörst du das, der Akku ist gleich leer«, sagte ich und rubbelte dabei mit der Hand über das Sprechloch. »Und ich muss dir doch sagen, dass krahammwarlölek Eltern heukraboldewolmderümm son schon kewedelede nussnuss, nichts, oder? Drömdi wardi komm?«
    »Ich kann dich ganz schlecht hören«, sagte Anton.
    »Weil der Akku nördiwumms gleich leer ist«, sagte ich. »Aber kramdelodeö bramussdi sokra de leider bloß nicht denn sedele Schwarzwald hebretadula seh für die. Schade, krundi - mehr die denn du?«
    »Was? Ich versteh dich wirklich ganz schlecht, Constanze.«
    »Hauptsache, du leg hadratudisti anderes Mal kramdiwummder höchstens in Wein aber nicht traurig denndi wenn's nicht, einverstanden? Oder noch die legdarlivorne Sandkasten. Oh weh, der Akku!«
    »Wir reden morgen, ja?«, rief Anton. »Mit deinem Telefon stimmt was nicht.«
    »Klömorfi so sind sie rutituti leider. Siden jagjag. Ich liebe dich. Mag di noch disinfundar böse?«
    »Ich freue mich auf morgen«, rief Anton.
    »Ich kräm digeldigel«, flüsterte ich und legte schnell auf. Jetzt konnte Anton nicht sagen, ich hätte ihm nichts von den geänderten Plänen meiner Eltern gesagt. Hatte ich wohl. Kräm digeldigel.
    Irgendwann in dieser Nacht hörten Senta und Berger auf, dieWalnuss umherzurollen, der Mond wanderte rechts aus dem Fenster, und ich schlief tatsächlich ein.
    * * *
    Als meine Eltern um halb neun aufstanden, hatte ich schon Brötchen geholt, den Frühstückstisch gedeckt und Tee gekocht.
    Außerdem hatte ich vier Tassen schwarzen Kaffee getrunken und ließ mir gerade die fünfte Tasse voll laufen, als Julius sagte: »Mama, du guckst so komisch.«
    »Wie - komisch?«
    »Wie Sponge Bob«, sagte Julius.
    »Das ist das viele Koffein«, sagte ich. Ich hätte besser Whisky in den Kaffee gekippt, dann wäre ich jetzt wach und entspannt gewesen. So oder so - bald würde es geschafft sein.
    Oben im Bad rief mein Vater: »Wo hafft du meine Fähne hingetan, Ulrike?«, als es an der Haustür klingelte.
    »Machst du bitte mal auf, Julius, das ist sicher Jasper«, sagte ich. »Sag ihm, er soll in einer Stunde noch mal wiederkommen.« Dann würden meine Eltern voraussichtlich auf dem Weg in den Schwarzwald sein, und wir hatten das Haus wieder für uns.
    »Mach um Himmels willen mal die Klüsen auf, Olav«, hörte ich meine Mutter rufen. »Keiner rührt jemals freiwillig deine Zähne an.«
    »Mama!«, rief Julius von der Haustür.
    Ein winziger Schluck Whisky würde sicher nicht schaden. Ich nahm die Flasche vom Regal. Als ich mich umdrehte, stand Anton vor mir.
    Ich schnappte nach Luft.
    »Julius wollte mich nicht reinlassen«, sagte Anton lachend. Er hatte seine Joggingklamotten an und ganz verschwitzte Locken.
    »Dabei habe ich mir die Schuhe gründlich abgeputzt! Ich kann

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