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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Gespräch ist immer noch das Beste.«
    »Das sagt die Richtige«, sagte Mimi.
    Ich schwieg beschämt.
    »Mama, ich will eine neue Lava-Lampe. Die ist doof. Die macht nichts.«
    »Alle Lava-Lampen sind doof, Krümelchen. Du musst einfach Geduld haben.«
    »Das ist wie mit Männern«, sagte Mimi. »Du bist ungerecht!«
    »Ach ja? Bonron70 hat marzipanschwein218 anvertraut, dass er seiner Frau nicht zutraut, Verantwortung zu übernehmen. Schon gar nicht für ein fremdes Kind. Meine Frau ist ein sehr zurückhaltender, verschlossener Mensch .. . Will heißen: Ich bin kalt wie 'ne Hundeschnauze.«
    »Das ist deine Interpretation.«
    Mimi zuckte mit den Schultern. »Ja. Aber es ist was Wahres dran. Ich weiß nicht, ob ich das könnte, selbst wenn ich es wollte: Ein adoptiertes Kind lieb haben wie ein eigenes. In unserem Alter kriegt man ja kein winzig kleines Baby in die Arme gelegt, sondern höchstens ein armes, verstörtes Kleinkind, das die Hälfte seines Lebens in der Kinderpsychiatrie verbracht hat.«
    »Unsinn!«
    »Im Ernst, wie soll ein Kind, das keine Eltern hat, die es bedingungslos lieben, denn diese ersten Jahre unversehrt überstehen?«
    »Das ist ja gerade das Schöne an einer Adoption: Diese Kinder bekommen dann endlich Eltern, die sie bedingungslos lieben.«
    »Ja, und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute. In Wirklichkeit sieht das ganz anders aus. Ronnie hat recht: Ich möchte keine Verantwortung für so ein verkorkstes Kind übernehmen. Aber nicht aus Egoismus. Nur aus Angst.« Für einen Moment sah es so aus, als würde Mimi in Tränen ausbrechen.
    »Rede mit ihm darüber!«
    »Nur über meine Leiche. Außerdem ist es ganz interessant, was man als Marzipanschweinchen so alles erfährt. Heute Abend werde ich ihn fragen, wie seine Frau denn so im Bett ist.«
    »Du spielst mit dem Feuer«, sagte ich.
    »Ja«, sagte Mimi. »Man gönnt sich ja sonst nichts. Hast du in der Zwischenzeit mit Paris gesprochen?«
    »Nein, sie kommt doch erst morgen aus Venedig zurück.«
    »Ruf an und lad sie für übermorgen zum Kaffee ein«, befahl Mimi. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Herr Moser hat gesagt, dass er Ende nächster Woche den Laden geräumt hat. Und Ronnie hat uns einen wunderbaren Restposten Olivenholzparkett reserviert. Völlig zu Unrecht als zweite Wahl deklariert. Und zu einem absoluten Spottpreis. Warte, bist du es siehst, es ist traumhaft. Und für die Regale hatte Ronnie auch eine fantastische Idee.«
    »Am Ende wollen wir alle noch in diesem Laden wohnen«, sagte ich.
    * * *
    »Ich hatte den Eindruck, deine Eltern waren ein bisschen überrascht, mich zu sehen«, sagte Anton später am Tag. »Hoffentlich waren sie nicht enttäuscht. Sie guckten richtig erschreckt.«
    »So gucken sie immer«, sagte ich. »Bei Fremden.«
    »Als Eltern ist man wahrscheinlich automatisch furchtbar misstrauisch. Wenn ich mir vorstelle, Emily kommt irgendwann mal mit so 'nem Typ an ... - also, da gucke ich sicher auch nicht gerade begeistert.«
    Emily hing wie immer an Antons Jackenärmel und guckte mich auch nicht gerade begeistert an. Wenn sie Jungs grundsätzlich auch so anguckte, dann brauchte sich Anton vorerst keine Sorgen zu machen.
    »Ich habe gehört, du warst eine tolle Biene«, sagte ich zu ihr.
    »Wieso habt ihr eigentlich ein Klavier, obwohl keiner drauf spielen kann?«, antwortete Emily. Damit traf sie einen wunden Punkt bei mir. Ich hätte als Kind furchtbar gern ein Instrument gespielt, aber meine Eltern hatten schon ganz früh behauptet, ich sei unmusikalisch, und das Thema damit abgehakt. Bei meinen Kindern wollte ich es natürlich besser machen, aber wenn man fünfzehn oder sechzehn Mal ein brüllendes, um sich schlagendes kleines Mädchen (»Ich will keine Scheißflöte spielen!«) über den Bürgersteig zum Blockflötenunterricht geschleift hat, muss man sich wohl eingestehen, dass es nicht das Richtige für das kleine Mädchen ist. Das Gleiche galt für den Kinderchor (»Ich will nicht mit Bekloppten singen!!«) und den Gitarrenunterricht (»Die Lehrerin hat Mundgeruch!«). Jetzt ruhten all meine Hoffnungen auf Julius. Vielleicht würde er Spaß am Klavierunterricht haben und die musikalische Ehre unserer Familie retten.
    Emily spielte Violine. Ich hatte sie noch nicht spielen gehört, aber Anton sagte, sie sei sehr gut. Natürlich.
    »Das Klavier war schon vor uns hier«, sagte ich. »Es wollte hier auf keinen Fall wieder weg.« Emily tippte sich an die Stirn. »Emily!«, sagte Anton

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