Gegensätze ziehen sich aus
präsentierte uns laut schnaubend das Ergebnis seiner Grübelei: »Natürlich ist er verheiratet!«
»Nein. Er ist seit Jahren geschieden.«
Pause. Ungläubiges Schweigen.
»Und er hat wirklich ernste Absichten?«
»Ja, Vati, die hat er. Anton ist ein wunderbarer Mann. Die Kinder mögen ihn auch. Stimmt's nicht, Kinder?«
»Doch«, sagte Nelly. »Ihn mögen wir sehr.«
Mir brach der Schweiß aus, als ich an Emily dachte.
»Ich mag ihn auch«, sagte Julius. »Wo ist die Lava-Lampe, Mama? Ich will sie jetzt endlich haben.«
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll«, sagte meine Mutter.
»Es wäre schön, wenn ihr euch einfach nur für mich freuen würdet.«
»Natürlich freuen wir uns«, sagte meine Mutter. »Sehr sogar. Da hätte ja keiner von uns mehr mit gerechnet.«
»Ich frage mich nur, wo der Haken ist«, sagte mein Vater.
»Da gibt es keinen Haken«, sagte ich mit fester Stimme. »Nö«, sagte Nelly. »Da gibt es keinen Haken. Das ist man so sicher, wie Prinzessin Lillifee supercool ist.«
* * *
Kaum waren meine Eltern weggefahren, klingelte es auch schon wieder an der Tür. Es war Mimi.
»Ronnie möchte hinter meinem Rücken ein Kind adoptieren«, sagte sie.
»Ich glaube nicht, dass das geht«, sagte ich und führte sie ins Wohnzimmer, wo Julius bäuchlings vor seiner Lava-Lampe lag und sie anstarrte.
»Ich fass es nicht, dass er nicht mit mir darüber redet«, sagte Mimi.
»Whisky?«
»Nein danke«, sagte Mimi. »Ich hab's über Google rausgefunden. Man kann sehen, welche Begriffe als Letztes gesucht wurden. Kind nach Fehlgeburt. Später Vater. Verwaiste Eltern. Fehlgeburtstrauma.«
»Ist doch okay, wenn er sich informiert«, sagte ich.
»Er informiert sich ja nicht, er sucht sich Gleichgesinnte, mit denen er sich im Selbstmitleid suhlen kann.«
»Ach, Mimi. Das hat doch nichts mit Selbstmitleid zu tun. Er ist einfach traurig. Andere gehen zum Therapeuten, er sucht eben im Internet nach Leuten, mit denen er sich austauschen kann.«
»Ausheulen, wohl eher«, sagte Mimi. »Er ist in einem Forum registriert. Für Eltern mit unerfülltem Kinderwunsch.« Mimi hob Senta vom Sofa, um sich auf ihren Platz zu setzen. Senta rollte sich gutmütig auf ihrem Schoß zusammen und schlief einfach weiter. »Ich hab ihn sofort erkannt an seinem saublöden Nickname. Bonron70.«
»Statt Bonbon«, sagte ich. »Witzig.«
»Nö, zum Lachen ist das nicht. Ronnie lässt da im Forum total mitleiderregendes Gejammer ab.« Mimi seufzte. »Wie glücklich er war, als er dachte, dass er bald Vater wird. Wie er gemerkt hat, dass erst ein Kind seinem Leben noch einen Sinn geben würde. Und dass er mit seiner Frau nicht darüber sprechen kann.«
»Na, da ist doch was Wahres dran«, sagte ich vorsichtig.
»Ja. Weil ich Gejammer überflüssig finde«, sagte Mimi. »Nach einer gewissen Zeit ist Jammern einfach destruktiv. Es hilft niemandem. «
»Mama, die Lava-Lampe macht gar nichts«, jammerte Julius.
»Manchmal hilft Jammern aber, um sich darüber klar zu werden, was man stattdessen will«, sagte ich.
»Ich will, dass die Lava-Lampe lavert«, jammerte Julius.
»Genau«, sagte Mimi. »Und Ronnie hat offensichtlich herausgefunden, dass er ein Kind adoptieren will. Aber ich will kein Kind adoptieren. Auf keinen Fall. Wir sind ohnehin zu alt für so ein Adoptionsverfahren. Weiß man doch, dass das Jahre dauert. Und gerade, wenn man das Kind in die Arme geschlossen hat, taucht die leibliche Mutter auf und nimmt es einem wieder weg.«
»Ja, im Film«, sagte ich. »Und in traurigen Büchern.«
»Ich will kein Kind adoptieren«, wiederholte Mimi.
»Sag's ihm halt.«
»Er redet ja nicht mit mir darüber. Nur mit Sternchenrnamil3 und mit Sumsebienchen68 oder wie diese blöden Weiber alle heißen. Und ich will nicht, dass er merkt, dass ich ihm nachspioniere.«
»Mama, die Lava-Lampe ist kaputt. Die macht gar nichts.«
»Die Lava muss erst heiß werden«, sagte ich. »Mimi...«
»Nenn mich ruhig marzipanschwein218«, sagte Mimi, wobei sie verschlagen grinste.
»Oh - ja, das wäre mein nächster Vorschlag gewesen.«
Mimi lachte. »Wusste ich's doch. Dir gefällt das. Anne hat mir schwere Vorwürfe gemacht. Sie findet es verwerflich, dem Ehemann heimlich in einen Chatroom zu folgen und sich dort auch noch als eine andere auszugeben.«
»Dann wäre es auch verwerflich, dem eigenen Ehemann in ein Strip-Lokal zu folgen und sich dort als Stripperin auszugeben«, sagte ich. »Trotzdem denke ich, ein offenes
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