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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Moritz guckt, kann ich für nichts mehr garantieren«, sagte ich, schob Anton beiseite, schlug einen von den ungefähr dreißig Bällen, die hier im Laub herumgammelten, zurück aufs Grün und marschierte zurück zu Heiki und Herrn von Erswert.
    Dabei trat ich auf etwas Weiches.
    Es war ein toter Maulwurf. Obwohl er schon tot gewesen sein musste, bevor ich auf ihn getreten war, fing ich an zu weinen.
    »Golf ist ein mörderisches Spiel«, schluchzte ich.
    »Lieber im Heu gebumst als ins Gras gebissen«, sagte Herr von Erswert.
    Da beschloss Anton, das Spiel abzubrechen und mich nach Hause zu fahren.
    * * *
    »Hier sind ganz viele!«, rief Julius und sammelte mit beiden Händen Kastanien auf. Ich kniete mich neben ihn und sammelte mit.
    »Am liebsten habe ich die, die man noch aus der Igelschale pulen muss«, sagte Julius.
    »Ich auch. Die glänzen so schön.«
    »Guck mal, hier ist eine ganz kleine, eine Babykastanie!«
    »Oh, ist die niedlich!« Und nicht nur die. Mir tat es leid, dass ich keinen Fotoapparat mitgenommen hatte. Julius hatte vor Eiferganz rote Backen und glänzende Augen, und die Herbstsonne ließ seine Haare leuchten wie einen Heiligenschein. Für eine Sekunde kämpfte ich mit den Tränen.
    »Wahrscheinlich harmlos«, hatte der Frauenarzt heute Morgen zu dem Knoten in meiner Brust gesagt. Wahrscheinlich. Ein recht vages Wort, wenn man so darüber nachdachte. Aber auf jeden Fall besser als vielleicht.
    Wo ich schon mal da war, wollte ich mir auch gleich die Pille verschreiben lassen, aber der Arzt sagte, damit sollten wir warten, bis das mit dem Knoten geklärt wäre.
    Es war Montagnachmittag, und da hatte Nelly immer bis drei Uhr Schule. Anstatt nach dem Mittagessen den Abwasch zu machen, hatte ich Julius aufs Fahrrad gesetzt und war mit ihm hierher gefahren.
    Es war ein Herbsttag wie aus einem Gedicht. Wie aus diesem Gedicht von ... Dings. Nikolaus Lenau? Oder Friedrich Hebbel? Ich verwechselte die beiden immer.
    ... die Luft ist still, als atmete man kaum, und dennoch fallen raschelnd fern und nah, die schönsten Früchte ab vom Baum ...
    Hebbel. Ja.
    Julius pflügte sich glücklich durch das Laub. »Hier sind noch mehr!«, schrie er. »Ich glaube, hier sind Millionen!«
    Gott, was liebte ich dieses Kind. Ich musste es hochheben und an mich drücken. Wahrscheinlich war nicht genug. Ich wollte sicher sein, dass ich noch eine Weile für mein Kind da sein konnte. Und für das andere auch. »Ich hab dich so lieb, mein Krümelchen.«
    »Ich dich auch, Mama.«
    »Du bist das Allerbeste, was mir jemals passiert ist«, sagte ich. »Du und Nelly.«
    »Du bist auch meine allerbeste Mama«, sagte Julius.
    Da wollte ich mich ins Laub werfen und weinen - ... dass ich lieber halte still, gleich am Orte hier zu sterben ... - das war aber jetzt von Lenau, er war der mit den melancholischen Texten.
    Das Handy in meiner Manteltasche klingelte. Nein, es klingelte nicht, vielmehr hustete es eklig, wie ein alter Mann mit Bronchitis.
    »Warst du beim Arzt?«, fragte Anton.
    Natürlich war ich beim Arzt gewesen. Als das Telefon wieder nur das nervtötende Besetztzeichen von sich gegeben hatte, war ich direkt in die Praxis gefahren und hatte mir den halben Vormittag im Wartezimmer um die Ohren geschlagen. Außer mir hatten nur schwangere Frauen dort herumgesessen, und von denen hatte keine in der Broschüre über Brustkrebs herumblättern wollen.
    »Ja. Alles in Ordnung«, sagte ich und blinzelte die Herbstgedicht-Tränen weg. »Wahrscheinlich eine harmlose Dings ...«
    »Zyste?«
    »Nee, eher ein Dings ... ein ... Nüpsel.«
    »Ein Nüpsel? Constanze, was hat der Arzt denn genau gesagt?«
    »Er hat einen Ultraschall gemacht und gesagt, seiner Einschätzung nach sei es ein harmloser Knoten. Dann noch irgendwas mit Längs- oder Querstruktur der Zellen. Auf jeden Fall vermutlich nichts Schlimmes.«
    »Aber sicher ist er sich nicht gewesen?«
    »Doch, im Grunde schon. Er hat mir aber trotzdem eine Überweisung zur Mammografie gegeben.«
    »Aha. Und wann ist die?«
    »Am fünfzehnten Januar«, sagte ich.
    »Was? Das ist ja noch Monate hin? Hatten die keinen früheren Termin?«
    »Nein«, sagte ich. Na ja, ehrlich gesagt, wusste ich es nicht.
    Die Frau am Telefon hatte gefragt, ob es dringend wäre, und ich hatte geantwortet: »Nein, nur so zum Spaß.« Leider hatte sie meine Ironie nicht als solche verstanden, und deshalb hatte ich jetzt eben erst einen Termin am fünfzehnten Januar.
    »Ist ja nicht so schlimm, es ist ja

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