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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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sowieso harmlos«, sagte ich.
    »Na, hoffentlich«, sagte Anton.
    »Hier sind noch mal eine Million!«, rief Julius. »Wenn wir die alle verkaufen, sind wir reich!«
    »Ich hätte keine ruhige Minute mehr, bis ich wüsste, ob es wirklich harmlos ist«, sagte Anton.
    »Ach«, sagte ich. »Man kann sich da auch reinsteigern.«
    Und das hatte ich längst getan. Als wir wieder zu Hause waren, rief ich sofort noch mal in der Radiologischen Praxis an, um einen früheren Mammografie-Termin zu bekommen.
    Es war besetzt.
    * * *
    Während Julius mit seinem Freund Jasper einen Verkaufsstand für Kastanien in unserer Einfahrt eröffnete, saß Nelly schlecht gelaunt am Esstisch, um ihre Hausaufgaben zu machen.
    »Wir alle fallen. Diese Hand da fällt«, las sie von einem Arbeitsblatt ab. »Versteht doch keiner! Warum fallen Hände ab? Und sieh dir andre an: Es ist in allen. Was denn, bitteschön? Wovon spricht der Mann?«
    »Rilke«, sagte ich entzückt. Vielleicht war heute ja Weltherbstgedichttag. »Das Fallen ist in allem. Weil Herbst ist.«
    »Das Fallen! In allem! Du kennst echt jeden Scheiß«, sagte Nelly. »Ich muss mindestens dreihundert Wörter darüber schreiben. Weißt du, wie viel dreihundert Wörter sind? Über ein Gedicht, das gerade mal zweiundsechzig Wörter hat!!«
    »Ich finde, es ist ein schönes Gedicht«, sagte ich. »Man kann jede Menge hineininterpretieren ... als welkten in den Himmeln ferne Gärten ... - das ist doch wunderschön.«
    »Dann mach du doch meine Hausaufgaben«, sagte Nelly.
    »Nein. Das musst du schon selber machen.«
    »Ich hasse Gedichte!«, sagte Nelly. »Außerdem habe ich Hunger.«
    »Du hast gerade drei Portionen Lasagne gegessen«, sagte ich. »Du kannst keinen Hunger haben.«
    Es klingelte an der Haustür. Ich hatte sofort Angst, es könne die Polizei sein, von Frau Hempel gerufen. Vorhin, als die Kinder ihren Kastanienstand aufgebaut hatten, war sie herangewatschelt gekommen und hatte gesagt: »Dafür braucht man aber eine Genehmigung. Hier ist ein reines Wohngebiet.«
    Es war nicht die Polizei, es war Mimi.
    »Die haben ja echt günstige Angebote«, sagte sie und zeigte auf Julius und Jasper. »Drei Kastanien gibt es für fünfzig Cent, zehn Kastanien aber zum einmaligen Sonderpreis von zehn Euro.«
    »Ja, damit scheidet die Schule im Hirschkäferweg wohl leider aus«, sagte ich. »Möchtest du heute mal reinkommen, oder wird das wieder eins unserer Türschwellengespräche?«
    Mimi trat ins Haus. »Du willst wohl gar nicht wissen, wie mein Sonntag mit dem Leihkind war«, sagte sie, während sie mich links und rechts auf die Wange küsste. Offensichtlich war sie blendend gelaunt.
    »Ich kaue immer noch an der missgünstigen Kuh«, sagte ich.
    »Das war doch nur ein Scherz«, sagte Mimi. »Ich weiß, dass du alle möglichen Fehler hast, aber missgünstig bist du nicht. Machst du mir einen Kaffee?«
    »Natürlich.«
    Mimi setzte sich zu Nelly an den Esszimmertisch. »Na, Süße! Wie geht es dir?«
    »Ich habe Hunger!«, sagte Nelly. »Und ich soll dieses Scheißgedicht mit leerem Magen interpretieren.«
    »Ich kann dir ein Butterbrot machen«, bot ich widerwillig an.
    »Zwei, bitte«, sagte Nelly. »Eins mit Schinken und eins mit Käse.«
    »Ist das Rilke?«, fragte Mimi.
    »Ja. Ein Gedicht über Herbst in einer Leprakolonie oder so«, sagte Nelly. »Und ich soll dreihundert Wörter darüber schreiben, weil meine Lehrerin einen Sockenschuss hat. Wie geht es dir?«
    »Mir geht es blendend! Nächste Woche Montag fliege ich mit Trudi nach Mailand zu Paris' vielversprechendem Schuhdesigner. Und Ronnie und ich machen bei so einem Sozial-Projekt mit, das einen Riesenspaß macht. Hat deine Mutter dir schon davon erzählt?«
    »Nö«, sagte Nelly.
    »Da kümmert man sich immer sonntags um ein Mädchen aus sogenannten bildungsfernen Schichten. Unser Mädchen heißt Coralie und ist elf Jahre alt. Gestern war sie das erste Mal bei uns.«
    Das Telefon klingelte.
    »Hier ist deine Mutter«, sagte meine Mutter. »Möchtest du lieber eine Kuckucksuhr oder einen handgeschnitzten Waldschrat zum Geburtstag haben.«
    Weder noch, natürlich. »Einen handgeschnitzten Waldschrat«, sagte ich.
    »Das habe ich mir gedacht«, sagte meine Mutter. »Ich hatte recht, Olav. Sie will den Waldschrat.«
    »Du weißt eben, was ich mag«, sagte ich.
    »Wir sind dann am Samstag so gegen fünfzehn Uhr bei dir«, sagte meine Mutter. »Oder hat sich in der Zwischenzeit etwas geändert?«
    Gute Frage.
    »Nein. Wir gehen

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