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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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alle zusammen essen«, sagte ich. »In einem sehr hübschen Restaurant.«
    »Hoffentlich nicht chinesisch«, sagte meine Mutter. »Die sagen zwar, sie tun's nicht, aber sie tun's doch.«
    »Was denn?«
    »Hunde und Katzen braten«, sagte meine Mutter.
    Ich versicherte ihr, dass wir in ein Restaurant gehen würden, in welchem weder Hunde noch Katzen verarbeitet wurden, und da legte sie beruhigt auf.
    Unauffällig tastete ich nach dem Knoten in meiner Brust. Mir schien, als wäre er in den letzten zwei Minuten gewachsen.
    »Stell dir vor, Coralie war noch niemals in einem Zoo!«, sagte Mimi zu Nelly.
    »Echt nicht? Da rennt man doch ständig mit der Klasse hin. Oder mit Oma und Opa.«
    »Die arme Coralie hat keine Großeltern mehr«, sagte Mimi mit Grabesstimme.
    Ich stellte eine Tasse Kaffee vor sie hin, schob Nelly einen Teller mit zwei Butterbroten neben das Rilke-Gedicht und goss mir ein Glas Kombucha-Getränk ein. Obwohl es ja vielleicht längst zu spät war, den Kampf gegen Freie Radikale aufzunehmen.
    »Coralie hat auch keine Eltern mehr«, sagte Mimi.
    »Ach du liebe Güte«, sagte ich.
    »Sie wohnt bei ihrer Tante und ihrem Onkel. Und die mögen sie anscheinend nicht besonders.« Mimi rührte in ihrem Kaffee. »Dabei ist sie so ein nettes Kind. Sie sieht aus wie ein kleiner Engel. Und sie hat erstaunlich gute Manieren, wenn man bedenkt,wo sie herkommt. Man muss sie einfach in sein Herz schließen.« Ohne einen Kommentar abzuwarten, fuhr sie fort: »Diese Tante muss ein Herz aus Stein haben. Alles in ihrem Haus dreht sich immer nur um Coralies Cousine, die von ihren Eltern vergöttert wird. Coralie muss ständig das Dienstmädchen für die Familie spielen, während die Cousine nur verwöhnt wird. Sie ist fett und darf Coralie ungestraft quälen, wann immer sie die Gelegenheit dazu hat.«
    Nelly und ich tauschten einen Blick.
    »Kommt mir irgendwie sehr bekannt vor«, sagte Nelly.
    »Mir auch.«
    »Coralie hat nicht mal ein eigenes Zimmer«, sagte Mimi. »Sie schläft in einem kleinen Verschlag unter der Treppe. Da passt gerade mal ein Bett hinein. Ist das nicht furchtbar? Ronnie und ich haben die ganze Nacht überlegt, wie wir Coralie helfen können, ohne ihre Situation noch zu verschlimmern. Ronnie meint, wir sollten das Jugendamt verständigen, aber Coralie meint, ihr Onkel und ihre Tante könnten sich wunderbar verstellen. Nach außen sähe es so aus, als ob sie sich ganz rührend um sie kümmerten.«
    »Hat Coralie eine Eule?«
    »Was?«
    »Kennst du nicht Harry Potter?«, fragte Nelly.
    »Natürlich, den kennt doch jeder«, sagte Mimi. »Meinst du, ich soll Coralie mal ein Buch mit dem kaufen? Ihre Tante tut das sicher nicht. Sie gibt das ganze Geld für ihre eigene Tochter aus.«
    »Ich bin sicher, dass Coralie Harry Potter bereits gelesen hat«, sagte ich. »Denn nicht Coralie lebt in einem Verschlag unter der Treppe, sondern Harry Potter.«
    Mimi sah mich mit großen Augen an. »Das ist wenig tröstlich! Harry Potter ist doch nur eine erfundene Person, während Coraliereal ist. Erschütternd, oder nicht? Da muss man doch was unternehmen. Ronnie meint, wahrscheinlich müsse man der Tante nur genug Geld anbieten, dann würde sie das Kind schon zur Adoption freigeben. Aber ich denke, bei so etwas spielt unser Staat nicht mit.«
    »Frag doch Dumbledore, ob er dir helfen kann«, sagte Nelly.
    »Wer ist Dambeldor?«
    »Mimi! Nicht Coralie, sondern Harry Potter lebt bei seiner Tante und seinem Onkel in einem Verschlag unter der Treppe«, sagte ich. »Seine Eltern sind tot. Und die Tante und der Onkel sind garstig zu ihm, während sie den fetten, gemeinen Cousin total verwöhnen.«
    »Warum redest du denn die ganze Zeit von Harry Potter?«, sagte Mimi.
    »Mensch, Mimi! Offenbar hat diese Coralie dich total verarscht«, sagte ich, und Nelly sagte: »Ich fass es nicht, dass du diese bekloppte Geschichte echt geschluckt hast. Du bist doch sonst so klug.«
    Julius und sein Freund Jasper kamen in die Küche gestürmt und wollten etwas zu trinken haben.
    »Und Eis«, schrie Jasper. Er schrie leider immer, was aber keine böse Absicht, sondern nur eine dumme Angewohnheit war. »Bitte.«
    »Für mich auch ein Eis«, sagte Nelly. »Ich sterbe vor Hunger.«
    »Du kannst Kastanien von uns kriegen«, schrie Jasper. »Drei kosten fünfzig Cent.«
    »Nö, ich bin kein Wildschwein, weißt du!« Nelly verschlang den letzten Bissen ihres Käsebrotes.
    »Ich habe nur Waffeleis, Vanille und Erdbeer«, sagte ich und öffnete das

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