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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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wurde.
    Während der ersten beiden Gänge erzählte meine Mutter Anton, Polly und Rudolf dann, wie großartig mein Bruder war. Mein Vater unterbrach sie nur gelegentlich, wenn sie etwas besonders Großartiges vergessen hatte, das mein Bruder gemacht hatte oder konnte oder wusste oder in Zukunft noch machen würde.
    Ich wusste ja bereits alles über meinen großartigen Bruder und unterhielt mich so lange mit den Kindern und mit Emil, dem Teddybären.
    »Kennst du eigentlich den Bären von Valentina?«, fragte ich Emil.
    »Ja, den kennt er«, sagte Emily. »Valentina hatte ihn mit in derSchule, als wir Spielzeugtag hatten. Er ist gar nicht hässlich, wie Sophie gesagt hat, nur alt.«
    »Und wollt ihr euch jetzt mal verabreden, du und Valentina?«
    Emily schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Valentina muss mittags immer mit zu Sophie nach Hause.«
    »Sie ist also Sophies Freundin?«
    »Nein. Gar nicht. Aber Valentinas Mutter ist Putzfrau bei Sophie zu Hause.«
    »Ach so.«
    »Die Arme, oder?« Emily fütterte den Bären mit Suppe. Warum war sie heute so nett? Zu ihrem Bären und zu uns. Wo war der finstere Blick, wo blieben ihre kleinen, gemeinen Bemerkungen? Ich war ein wenig unruhig deswegen. Wartete sie vielleicht nur auf eine Gelegenheit, Julius Mayonnaise ins Essen zu kippen?
    Bei der Hauptspeise kam es plötzlich zu einem rabiaten Themenwechsel: von der Großartigkeit meines Bruders direkt zu Weihnachten im Allgemeinen und Besonderen. Im Allgemeinen war es sehr schnell abgehandelt: Wir waren uns alle einig, dass es wieder mal viel zu schnell näher rückte. Im Besonderen ging es darum, wer in diesem Jahr wie das Weihnachtsfest zu verbringen gedachte.
    »Wir verschwinden Mitte Dezember für sechs Wochen auf die Kanaren«, sagte Rudolf.
    »Emily wird in den Ferien wahrscheinlich zu ihrer Mutter und ihrer Schwester nach London fliegen«, sagte Anton. »Oder Molly kommt hierher. Oder Jane nimmt beide Kinder mit zum Skilaufen in die Schweiz, wenn sie Urlaub bekommt.«
    Aha. An Weihnachten würde es also möglicherweise noch komplizierter werden. Mit Tochter Nummer Zwei. Nett, dass er mich schon mal vorwarnte.
    Ich hatte mir bisher über Weihnachten noch keine Gedankengemacht. Die Nikoläuse und Dominosteine in den Läden hatte ich einfach übersehen. Aber eigentlich, so ganz im Geheimen, hatte ich mir schon mal gewünscht, Anton würde mit uns Weihnachten feiern. Ohne Emily, wenn möglich.
    »Ihr werdet sicher zu deinen Eltern nach Pellworm fahren«, sagte Anton.
    Ja, das hätte er wohl gerne.
    »Die letzten Jahre waren sie immer bei uns«, sagte mein Vater. »Der Lorenz brauchte ja auch mal Ruhe vor den Blagen, und wir freuen uns immer, wenn der Junge da ist.« Sein Blick ruhte liebevoll auf Julius.
    Nelly räusperte sich.
    »Und seine Schwester«, sagte mein Vater. »Weihnachten ist eben ein Fest für Kinder.«
    »Dieses Jahr brauchen wir auf Lorenz keine Rücksicht zu nehmen«, sagte ich. »Vielleicht fahren wir auch zum Skilaufen in die Schweiz.«
    »Au ja«, sagte Julius.
    »Haha«, machte mein Vater. »Du und Skilaufen, Constanze!«
    Meine Mutter lachte auch. »Sportlich kann man sie wirklich nicht nennen, unsere Constanze. Ihr Bruder hingegen ...«
    »Aber schwimmen kann sie«, sagte Anton. »Und hübscher ist sie doch bestimmt auch als ihr Bruder.«
    »Nee«, sagte mein Vater. »Da schwimmt ja unsere Berta noch besser.«
    »Nee«, sagte auch meine Mutter. »Ihr Bruder hat viel schönere Augen. Der kommt nach mir, Constanze nach ihrer Tante Gerti. Die hat auch so helle Wimpern.«
    Ach, was soll's, es gibt Schlimmeres.
    Und Anton griff wieder nach meiner Hand und stellte meinen Eltern keine Fragen mehr. Das war wirklich erfreulich. Um Viertelnach zehn hatten wir das Dessert verspeist beziehungsweise einen Espresso getrunken, und mein Vater gähnte. Meine Mutter gähnte auch.
    »Das war ein langer Tag«, sagte sie. »Die anstrengende Fahrt, die Luftveränderung ...«
    »Ja, ich muss in die Falle«, sagte mein Vater.
    »Aber wir müssen doch noch bis Mitternacht warten«, sagte Polly. »Bis Constanze Geburtstag hat.«
    »Ja, natürlich«, sagte Anton.
    »Ohne mich«, sagte mein Vater.
    »Ach, ich bin auch dafür, dass wir ins Bett gehen«, sagte ich. »Ihr seid ja alle herzlich eingeladen, meinen Geburtstag morgen mit mir zu feiern. Da freue ich mich schon drauf.«
    »Wir sind aber nach dem Frühstück weg«, sagte meine Mutter.
    Eben deshalb freute ich mich ja auch.
    Anton und sein Vater stritten sich darüber,

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