Gegensätze ziehen sich aus
wer die Rechnung bezahlen sollte.
»Ich habe euch alle eingeladen«, sagte Anton, aber Rudolf sagte: »Nun sei nicht so störrisch, das ist doch unser Geschenk für Constanze.«
Da ließ Anton seinen Vater die Rechnung bezahlen, und ich bedankte mich so herzlich mir das eben möglich war.
»Ach, sagen Sie doch noch mal was auf Friesisch«, sagte Rudolf. »Ich höre das gern.«
»Huar kön han welen lian«, sagte ich, weil das einer der wenigen Sätze war, die ich auf Friesisch konnte.
Meine Mutter fragte: »Warum willst du dir ein Fahrrad leihen?«
»Das ist ein Insiderwitz zwischen Rudolf und mir«, sagte ich. »Emily und ich fahren euch natürlich nach Hause«, sagte Anton.
Mal abgesehen davon, dass wir gar nicht alle in sein Auto gepasst hätten, wollten meine Eltern lieber zu Fuß gehen.
»Nach dem ganzen Essen, das wir in uns reingestopft haben, tut das gut«, sagte meine Mutter, während sie allen die Hand schüttelte. »Vor allem Constanzes Vater. Er hat von so spätem Essen immer, na ...« Sie senkte die Stimme und flüsterte: »... Sie wissen schon.«
»Flatulenzen«, sagte mein Vater.
Ach was soll's, es gibt Schlimmeres.
Meine Mutter gab auch Emily die Hand. »Auf Wie-der-se-hen!«, sagte sie laut.
»Arrividerci«, zwitscherte Emily. Immer noch keine Spur von einem finsteren Blick. Deshalb wagte ich es, mich zu ihr hinunterzubeugen und wenn schon nicht ihr selber, so doch wenigstens dem Teddy die Pfote zu schütteln.
»Tja, Emil, war nett, dich kennen gelernt zu haben«, sagte ich. »Kommst du denn morgen auch mit zu meinem Geburtstag?«
»Vielleicht bringe ich ihn mit«, sagte Emily. Und weil sie dabei beinahe lächelte, machte ich den Fehler zu sagen: »Du warst heute sehr nett, Emily.«
Sofort verfinsterte sich ihr Gesicht. »Ich weiß«, sagte sie. »Aber deshalb mag ich dich immer noch nicht, falls du das denkst.«
Okay. Dann nicht.
Anton, der natürlich wieder mal nichts mitbekommen hatte, küsste mich.
»Liebst du mich noch?«, flüsterte ich in sein Ohr.
»Warum sollte sich das so plötzlich ändern?«, fragte er. »Ich hätte dich sehr gern um Mitternacht umarmt.«
»Ach, da schlafe ich doch längst«, sagte ich.
Aber natürlich schlief ich nicht. Ich lag hellwach auf dem Sofaim Wohnzimmer, und nicht mal der Mond leistete mir diesmal Gesellschaft.
»Ich wollte ja nicht unhöflich sein«, hatte mein Vater auf dem Heimweg gesagt. »Aber warum hat dieses Kind Schlitzaugen?«
»Sie hat keine Schlitzaugen.«
»Natürlich hat sie welche. Und dunkler als normal ist sie auch. Ich bin doch nicht blind.«
»Sie hat eben thailändische Gene.«
»Und ich dachte schon, sie hätte vielleicht eine schlitzäugige Mutter«, hatte meine Mutter gesagt. Ach, was soll's, es gibt Schlimmeres.
Vorsichtig tastete ich meine Brust ab. Leider war der Knoten immer noch da.
»Alles Gute zum Geburtstag, Constanze«, flüsterte ich. Und dann weinte ich ein bisschen.
* * *
Der handgeschnitzte Waldschrat aus dem Schwarzwald war gar nicht so übel.
»Der sieht ja genau aus wie Frau Hempel!«, rief Julius entzückt, und wir beschlossen, ihn draußen an einen Baum zu hängen, möglichst so, dass Frau Hempel ihn sehen konnte.
Meine Eltern fuhren nach dem Frühstück wie versprochen nach Hause, sie hatten es eilig, zu meinem Bruder zu kommen, auch wenn sie so taten, als gälte ihre Sehnsucht in erster Linie den Kühen.
Julius schenkte mir fünf seiner allerschönsten und wertvollsten Kastanien und ein Bild mit einem rosa Luftballon mit Punkten drauf und vielen gelben Schnüren daran.
»Das bist du!«, sagte Julius.
»Oh, jetzt erkenne ich es. Da sind meine Augen, das gelbe sind meine Haare ... - sehr schön, mein Krümelchen.«
Von Nelly bekam ich drei Gutscheine. Auf dem ersten Gutschein stand »Einmal freiwillig Staubsaugen (nur unten)«, auf dem zweiten »Einmal freiwillig die Spülmaschine ausräumen« und auf dem dritten »Ein Kinobesuch mit mir (Film darfst du aussuchen)«.
»Lauter wunderbare Geschenke«, sagte ich. Den ersten Gutschein löste ich dann auch sofort ein. Während Nelly im Wohnzimmer Staub saugte, mischte ich mit Julius einen Kinder- und Schwangerenpunsch aus Apfelsaft, Zimt, Grenadinesirup, frisch gepressten Limetten und Früchtetee zusammen, der viel leckerer schmeckte, als sich das Rezept las. Den riesigen Topf mit Kürbissuppe hatte ich schon am Tag vorher vorbereitet, dazu sollte es Brot, Kräuterbutter, eine Käseplatte und vier verschiedene Apfelkuchen und -torten geben.
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