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Gegenschatz

Gegenschatz

Titel: Gegenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Moorfeld
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ich empfinde, sondern nur um die Befriedigung seiner eigenen Triebe und ich fühle mich nicht als Mensch, sondern als Werkzeug dazu. Es herrscht unangenehme Stille im Auto. Meine Wut ist verpufft und purer Verzweiflung, Verletzung und Traurigkeit gewichen. Ich weine lautlos, weil ich mir vor Marc keine Blöße geben will. Ein weiterer Blitz erhellt den Innenraum des Autos und ich wende rasch den Kopf zur Seite, damit Marc meine Tränen nicht sieht. Aber es ist zu spät. Ich höre ihn schlucken.
    «Sorry, Süße!», sagt er gedämpft.
    «Nennen sie mich nicht Süße!», antworte ich erstickt.
    Meine Augen haben sich so weit an die Finsternis hier drin gewöhnt, dass ich zumindest Umrisse erkennen kann. Plötzlich spüre ich einen einzelnen Finger im Gesicht, der mir die Tränen fort wischt. Dort wo er mich berührt, brennt meine Haut wie Feuer. Erschrocken ziehe ich meinen Kopf weg. Wie kann es sein, dass mein Körper so auf ihn reagiert, obwohl ich das absolut nicht will?
    «Was ist passiert?», fragt Marc plötzlich so sanft, dass ich schier zu schweben beginne.
    Aber das kann ich nicht zulassen.
    «Das geht sie gar nichts an!», entgegne ich trotzig. Wie meint er das? Wie kommt er darauf, dass etwas passiert ist? Wir schweigen wieder. Der Regen lässt draußen nach, aber es blitzt und donnert noch immer. Das Wechselbad der Gefühle von Angst, Wut, Schmerz, Trauer und dann die plötzliche Sanftheit in Marcs Stimme haben mich so verwirrt und aufgewühlt, dass ich auf einmal einfach anfange zu reden. Ich weiß nicht, weshalb ich ihm das alles erzähle, aber es sprudelt einfach so aus mir heraus.
    «Mein Chef hat sich in mich verliebt und mit mir geschlafen. Ich hätte mich wehren sollen, ihn zurückweisen. Aber ich habe es nicht getan. Zuerst war es auch irgendwie schön, aber dann…»
    Ich finde keine Worte und ich bereue sofort, dass ich diesem Marc überhaupt davon erzählt habe. Mist! Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen und atme tief durch.
    «Hat er dir weh getan?»
    Marcs Stimme ist auf einmal so mitfühlend, dass ich nicht glauben kann, dass er es ist, der hier neben mir sitzt. Ich zögere, bevor ich leise antworte.
    «Das ist es nicht. Ich fühle mich so leer und benutzt!»
    In den dunklen Silhouetten erkenne ich, wie Marc mit der geballten Faust aufs Lenkrand schlägt.
    «Wenn ich das Schwein in die Finger kriege, breche ich ihm alle Knochen!»
    Diese unerwartet aufbrodelnde Wut lässt mich erschrocken zusammenzucken.
    «Nein, nicht! Es tut ihm leid und er wird von hier verschwinden!»
    «Es tut ihm leid!», wiederholt Marc verächtlich. «Niemand darf dir so etwas antun, Julia! Niemand!»
    Ich fühle mich seltsam berührt. Es klingt fast so, als ob er mich beschützen will. Aber was will er denn überhaupt von mir? Ich bin doch nur seine Nachbarin, nicht mehr. Und unter den Frauen hat er ja offensichtlich genug Auswahl. Ich atme tief durch und versuche die aufkeimenden Gefühle für Marc niederzukämpfen.
    «Und sie gehen anders mit den Frauen um, ja?», frage ich verächtlich.
    «Sex bereitet mir keine Lust, wenn ich die Frau nicht auch zum Höhepunkt führen kann», antwortet er bestimmt.
    Darauf weiß ich nichts zu sagen und verstumme.
    «Wir sollten endlich Hilfe holen!», schlage ich schließlich vor.
    «Hast du denn ein Handy dabei? Ich besitze nämlich keines.»
    Ich suche nach meiner Tasche.
    «Mist! Das Handy steckt in meiner Tasche und die hängt im Gepäckträger vom Fahrrad!»
    «Und das Fahrrad liegt im Kofferraum. Prima! Da ist das Handy gut aufgehoben!», entgegnet er voller Ironie.
    «Wir könnten versuchen die Heckscheibe einzuschlagen!»
    «Und womit?»
    Ich sehe mich um, aber in der Dunkelheit kann ich keine herumliegenden Gegenstände im Auto entdecken. Auch ich habe nichts dabei, als die Kleidung auf meinem Leib.
    «Haben sie keinen Nothammer?»
    «Nein!»
    «Vielleicht sollten wir doch versuchen, die Türen zu öffnen.»
    «Und du willst Akademikerin sein? Wir sind dermaßen eingequetscht, da ist es doch mehr als offensichtlich, dass sich keine der Türen auch nur einen Millimeter bewegen wird. Du braucht nur mal das Fenster herunter kurbeln, dann merkst du, wie nah sich die Betonmauer ans Auto drückt», murrt Marc, aber es klingt nicht mehr böse, wie zu Beginn unseres Streits.
    Eigentlich weiß ich das ja auch, aber eine bessere Idee kam mir einfach nicht.
    «Dann müssen wir wohl abwarten, bis uns jemand befreit! Morgens fahren immer viele Radfahrer diesen Weg entlang. Denen

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