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Gegenwinde

Gegenwinde

Titel: Gegenwinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Adam
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wusste ich nicht. Es war so weit weg von unserem früheren Leben.
    Ich ging nach Hause, um mich umzuziehen. Im brachliegenden Garten pickte eine Elster am Fettknödel, und die Katze lauerte ihr auf, ins Gras geduckt. Sie hatten sich hier häuslich niedergelassen, Manon konnte Stunden damit zubringen, sie zu beobachten. Ich schlüpfte in zerknitterte, aber trockene Kleider. Das Haus war still, die nackten Glühbirnen verbreiteten überall ihr kaltes Licht. Seit dem Einzug war alles unverändert geblieben, fast schmucklos, aufs strikte Minimum reduziert. Das Spielzeug, die Bücher und die Poster brachten ein wenig Wärme in die Zimmer der Kinder, aber insgesamt strahlten die Räume etwas Eisiges aus, das sprang mir plötzlich ins Auge, einen Moment lang stellte ich mir die Kinder in ihren Zimmern vor, und ich spürte, wie die Stille mich anfiel, oft machte ich mich im Garten zu schaffen oder schlug in der Garage auf meinen Sack ein, oder ich lag auf dem Bett und tat so, als würde ich lesen, schaute aber nur stundenlang an die Decke, daran dachte ich, und mein Bauch und meine Lungen zogen sich zusammen. An Stelle der Kinder würde ich nur eines wollen: Meine Abende bei Nadine und Alex verbringen, in ihrem Wohnzimmer mit den hässlichen, aber tröstenden Möbeln, überschüttet von ihrer Zärtlichkeit und ihren kleinen Aufmerksamkeiten, mit Spielen Malheften Knete Ausschneidebögen, seit wir hier waren, hatten sie all das in rauhen Mengen gekauft, die Garage war voll davon, man hätte meinen können, die Kinder lebten ständig bei ihnen.
    Bréhel trank ein dunkles Bier und betrachtete das Abendlicht, man müsse es genießen, meinte er, für morgen seien Regen und Kälte angesagt, diesmal würde der Winter Einzug halten und Schluss machen mit dem Gezauder und dem Hin und Her. Hier änderte sich das Wetter ständig, es konnte an ein und demselben Tag alle möglichen Stadien durchlaufen, nie setzte sich etwas wirklich fest, wir lebten unter einem instabilen Himmel, mir hatte das immer gefallen, die Welt schien sich nie ausruhen zu müssen, alles lebte intensiv, Himmel und Meer hatten ihre Wutausbrüche und ihre stillen Momente, nichts blieb gleich, nichts war je ausgeglichen. An der Bar hörte Brèhel mir zu, ohne seine Lippen vom Glas zu lösen. Wir stießen auf seinen Erfolg an, der Prüfer hatte ihm noch am Vormittag den Führerschein ausgehändigt, er war sehr aufgeregt gewesen, Alex hatte ein wenig verhandeln müssen, aber es hatte geklappt.
    »Mein ganzes Leben lang war das so. Prüfungen machen mich nervös, ich werde völlig kopflos.«
    »Wann fangen Sie mit Ihrem neuen Job an?«
    »Montag.«
    »Und dann nehmen Sie sich eine kleine Wohnung?«
    »Nein, doch nicht. Manchmal macht es mir zu schaffen, aber eigentlich lebe ich gern dort, auf meiner Halbinsel, mit meinen Vögeln. Da habe ich meine Ruhe.«
    »Im Sommer wird es weniger ruhig sein.«
    »Das macht mir nichts. Zwei Monate Trubel im Jahr, das ist genau richtig. Außerdem mag ich die Touristen. Das ganze Jahr rackern sie sich ab, und dann schieben sie zwei oder drei Wochen am Meer eine ruhige Kugel. Sie stören niemanden. Ich schaue mir das gern an. Alle sind entspannt, alle leben nach ihrem eigenen Rhythmus, und in der Badehose weißt du nicht mehr, wer Kohle hat und wer nicht, wer seine Angestellten nervt und wer von morgens bis abends schuftet und zu hören kriegt, dass er noch nicht genug gearbeitet hat.«
    Wir stießen noch einmal an, Bréhel beugte sich über seine Tasche und holte eine smaragdgrüne Fischerjacke heraus.
    »Hier, ein Geschenk. Als Dankeschön.«
    Ich zog sie über, er fand, sie stünde mir bestens, mit meinem Bart meinem zu langen Haar meinen kühlen Augen sähe ich aus wie ein echter Seebär. Ich war nur ein bisschen zu dick, das Gesicht zu glatt, um irgendwen zu täuschen. Um uns herum tranken die Leute, manche hielten ihre Strohhalme wie Zigaretten und klemmten sie zwischen die Zähne, nach kurzer Zeit hielten sie es nicht mehr aus und gingen nach draußen, um am Strand zu rauchen. Wir verließen die Bar und setzen uns ans Fenster, die Nacht senkte sich über die auflaufende Flut, nur ein Gischtstreifen erlaubte, das Wasser vom Sand zu unterscheiden, der glatt und glänzend dalag wie ein Spiegel. Wie die Paschas hingen wir in unseren Ledersesseln und verfolgten mit einem Auge das Spiel, der Fernseher stand auf dem Klavier, manche Gäste fluchten, aber der Wirt verpasste nie ein Spiel, nur dafür war die Glotze da, in der übrigen Zeit

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