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Gegner des Systems

Gegner des Systems

Titel: Gegner des Systems Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Jon Watkins
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Kleidern. Plastikreifen, die ihr ausgesetzt wurden, blätterten langsam ab, während Leder schwammig wurde und zerfiel.
    In dem Laden waren nur wenige Kunden, weil sich bei diesem Wetter nur wenige hinausgetrauten. Sie hatten Angst vor dem Würgen, das sich in ständig wachsender Verengung der Luftröhre äußerte und anhielt, bis das Opfer das Bewußtsein verlor. Mit jedem Anfall wuchs die Empfindlichkeit gegen die schlechte Luft, und mehr als ein Anfall bedeutete Gehirnschäden, die sich einstellten, weil die Verengung auch nach Eintritt der Bewußtlosigkeit weiterging und dem Gehirn nicht genug Sauerstoff zugeführt wurde. Der erste Anfall war nicht oft tödlich, aber der fünfzehnte war es in der Regel, und daher wagten sich diejenigen, die schon einen Anfall hinter sich hatten, an den Tagen mit Gelber Luft nicht hinaus.
    Da die Gelbe Luft am Telefon nicht erwähnt werden durfte, hatte man sich die vornehme Umschreibung ,Migräne‘ angewöhnt, die allgemein im ganzen Land als Entschuldigungsgrund für das Fernbleiben von den Arbeitsplätzen in Fabriken und Büros akzeptiert wurde. Weil ein Opfer von zehn Anfällen auch drinnen nicht sicher war, war das ständige Heulen von Notarztwagen bei anhaltender Windstille ein immer häufiger gehörtes und ignoriertes Geräusch.
    Welsh lenkte seinen Wagen in den Gang mit den Wasser-Geschmackszusätzen. Durch die immer fleckiger werdenden Fenster konnte er eine Einkäuferin erkennen, die vom Parkplatz hereinkam. Er identifizierte sie sofort als Fünf-bis-zehnmal-Opfer und fragte sich, warum sie draußen war.
    Als sie näher an das gelbfleckige Fenster kam, konnte er an der Qualität ihrer Kleider erkennen, daß sie wahrscheinlich eine Stemplerin war und deshalb persönlich zu dem Laden kommen mußte, um ihr Essen mit Regierungsmarken einzukaufen. Ihre Nahrungsmittel mußten extrem knapp geworden sein, dachte er, wenn sie während einer Windstille hinausging. Dann hinderte ihn eine Mauer daran, den wahren Grund für ihren Ausflug erkennen zu können.
    Als sie durch die Glastür trat, konnte Welsh sehen, daß sie drei Kinder bei sich hatte, die entweder Drillinge waren oder im Alter sehr kurz aufeinander folgten. Sie schleifte sie hinter sich her, als seien sie eine steife Kette, die an ihrem Handgelenk hing. Sofort nachdem die Kinder auf die Seitensitze des Karrens gesetzt worden waren, erkannte er sie als Lächler. Früher einmal hätte man sie für wunderbar brave, aber dumme Kinder gehalten. Welsh sah an ihrem Lächeln, daß sie einen Gehirnschaden hatten. Die wachsende Zahl von Gelbluftgeburten machte die Lächler zu einer alltäglichen Erscheinung.
    Sauerstoffmangel, während der Gelben Luft fast die Regel, hatte diese Form von Zurückgebliebenheit so häufig werden lassen, daß es in jedem Jahrgang der Grundschule ganze Klassen gab, die nur aus Lächlern bestanden. Welsh wußte, daß nur extreme Besorgnis dieses Lächeln wegwischen konnte, und ebenso wußte er, daß es ein Ausmaß an Hunger und Not verbarg, das man vor zwanzig Jahren für unerträglich gehalten hatte. Das Lächeln hatte kaum einen Bezug zu wirklicher Freude und keinen zur Zufriedenheit.
    Die Frau war in einen Gang eingebogen, der sie direkt auf Welsh zuführte, der am Ende seines Ganges angehalten hatte, um sie unter dem Vorwand zu beobachten, daß er sich seine Einkaufsliste genau anschaute. Er beobachtete sie mit einer Reihe von schnellen Blicken. Ihr Wagen fuhr vor ihm vorbei, offensichtlich auf dem Weg zur Milchabteilung. Neben dem Milchautomaten war die Ausgabe für Mehl mit dem das Milchpulver zu einer Mahlzeit verlängert wurde.
    Zu jeder Packung Milch (flüssige Milch konnte man mit Marken nicht kaufen) gab es eine Packung Paraffin – eine wachsartige Substanz, die zwar ohne jeglichen Nährwert war, den Milchkuchen aber Volumen verlieh und Bäuche, die es nicht ernährte, zum Bersten füllte.
    Die Frau hielt in ihrer rechten Hand drei zerknitterte grüne und eine gelbe Marke. Die Marken klebten zusammen, und Welsh nahm an, daß die Frau einen recht langen Fußmarsch hinter sich hatte. Dabei hatte sie so geschwitzt, daß die Marken naß geworden waren. Erst später überlegte er sich, daß dieser Weg für die Frau, die sicherlich unglaubliche Schwierigkeiten beim Atmen hatte, eine Qual gewesen sein mußte.
    Welsh war sich in der Tat nicht ganz klar darüber, was die Frau zu solcher Eile antrieb oder was die Marken so feucht und zerknittert gemacht hatte, bis die Frau schwer von ihrem Wagen

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