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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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erste Anzeichen von Leben in den Beinen, so dass er das Aufstehen mit einem Lächeln wagen und das Gefühl des festen Bodens unter den Füßen wieder genießen konnte.
    Wie erwartet waren ihre Koffer unter den letzten, die das Gepäckband hergab, Zeit genug für ihn, sich auf das Wiedersehen mit Mel zu freuen. Schließlich konnte er ganz ehrlich von sich behaupten, ihr treu geblieben zu sein, trotz allem. Obwohl Sonia eine der Frauen war, bei denen Männer vor lauter Staunen ob ihrer Schönheit sogar ihre Koffer eine zweite Runde auf dem Gepäckband antreten ließen. Und sie war sich dessen bewusst. Ihre zerschlissene Jeans, die aussah, als hätte sie jahrzehntelang in der Wüste gelegen, saß figurbetont genau und gehörte zu einer besonders teuren Marke; und die über dem Bauchnabel zusammengeknotete weiße Bluse verlieh ihr einen Hauch von Douglas-Fairbanks-Romantik. Wenn sie wie jetzt scheinbar gelangweilt am Gepäckband stand, so stand sie dort in der Gewissheit all der Augen, die auf ihr hafteten wie auf einem Werbespot von Chanel; das war für sie die Luft zum Atmen. Ihr Warten auf den Koffer wurde so zu einem nahezu erhabenen Moment. Sie stand dort in einer lässigen Standbein-Spielbein-Haltung, fern aller irdischen Probleme um sich herum.
    Bastien hatte sie auf einer seiner Vernissagen kennengelernt. Da er an diesem Abend quasi über Hausherrenrecht in der Galerie verfügte, hegte er auch keine Scheu, sie direkt anzusprechen und sich als der ausstellende Künstler vorzustellen, was sie anfangs beeindruckte, war sie doch, wie sich während der ersten Sätze herausstellen sollte, eine leidenschaftliche Hobbymalerin und hatte Hochachtung vor den echten Profis, was Bastien zu gönnerischen Sätzen verleitete. – Sie könne gerne sein Atelier für größere Formate nutzen; ein Angebot, das sie bereitwillig annahm. Bereits einen Tag später rief sie an, und es hagelte Unmengen an Fragen zu Farben, Art und Beschaffenheit von Leinwänden, Keilrahmen und die Schwierigkeit, diese von Hand zu bespannen. Bastien, obwohl im Zugzwang mit der Versendung eines Antrages auf Fördermittel und absolut auf den letzten Drücker, ließ es sich nicht nehmen, ihr gleich drei Großformate aufzuspannen und akkurat zu grundieren; eine Arbeit, die ihr Zeit gab, es sich daneben in einem Sessel bequem zu machen und ausgiebig aus ihrem Leben zu erzählen. – Geboren in der ostdeutschen Provinz, die abgebrochene Schule, schließlich der große Sprung nach Berlin, pragmatische Bekanntschaften hier und da, aber dann die Beziehung mit einem Geschäftsmann aus Riad, mit dessen Hilfe sie gänzlich ohne finanzielle Probleme ihr Studium der Theologie aufnehmen konnte.
    Theologie. Bastien war beeindruckt, er dachte an sparsam bekleidete tizianische Engel, und während des notorischen Verstreichens der Grundierfarbe nickte er mehrmals anerkennend. Man komme ja niemals an den großen Mystikern vorbei, holte er aus, Meister Eckhart habe mehr Einfluss auf die Scholastik gehabt, als die katholische Kirche gemeinhin anerkennen wolle, schließlich sei diese Religion ja ebenso ein auf ihren Denkern beruhendes Konstrukt wie alle anderen auch und könne sich in keiner Weise als verlängerter Arm der altvorderen Propheten begreifen, das sei überheblich. Er schloss dann schließlich mit Voltaires Satz Wenn es Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden . Jetzt war es Sonia, die sich beeindruckt zeigte, schließlich sei sie über das vierte Semester ja nicht hinausgekommen und, wie sie offen zugeben müsse, hatte sie selbst in dieser Zeit nicht mehr als zwei, drei Vorlesungen besuchen können, da ihr Leben mit unterschiedlichsten Aufgaben gefüllt war, das habe ihr immer ein Gefühl der Zerrissenheit verliehen, schließlich sei ein profundes Wissen ein absolutes Privileg. Und sie würde jeden Mann bewundern, der darüber verfüge. Woraufhin Bastien seine Kenntnisse als notwendige Werkzeuge zur Erlangung der wirklich großen Erkenntnisse herunterlächelte, was ihr noch mehr Bewunderung zu entlocken schien. Als er dann mit weißen Pinselstrichen die Grundzüge des deutschen Idealismus, des Konstruktivismus und beider Epigonen auf die Leinwand skizzierte, war es ganz um sie geschehen, sie begriff, dass sie es mit einem außergewöhnlichen Mann, einem Genie zu tun hatte, von dem sie das Wissen der Welt erlernen könnte; währenddessen er sich immer wieder vorstellte, wie es wäre, wenn sie in der triefnassen Grundierfarbe eines Tages ausrutschen würde und ihr

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