Geh auf Magenta - Roman
Beispiel mit einer anderen Frau in den Urlaub fährst.«
» Das hast du dem erzählt? Was geht den das an?«
»Er begreift das rein beruflich.«
»Ich glaub’s nicht. Und was hast du gesagt?«
»Ich habe ihm gesagt, dass ich mich derzeit nicht wirklich nach dir sehne, dass es mir inzwischen auch ziemlich egal ist, ob du diese Nutte fickst oder nicht; ich hab ihm gesagt, dass ich das auf keinen Fall verzeihen werde, einfach nicht kann und will.«
Da war sie, ihre Antwort, von der er angenommen hatte, dass es sie nie geben würde. Er dachte an ihre Seitenblicke vor der Reise, dieses knappe Aufblitzen einer Wut, die es in Kauf zu nehmen galt, in der vollen Überzeugung, dass man sich das schon leisten könne. Er atmete kurz durch: »Gut, ich bin mit einer anderen in den Urlaub gefahren, ja. Du weißt aber auch, dass du gar nicht mitwolltest.«
»Nicht mitwollte, ja?«
»Ich hatte dich gefragt.«
»Zwischen Tür und Angel, und nicht sehr überzeugend.«
»Habe ich es gesagt oder nicht?«
»Kaum.«
»Ich hab’s gesagt. Du bist nicht darauf eingegangen.«
»Du weißt genau, wie anstrengend ich es finde, mit dir zu verreisen. Du bist immer so – hektisch, mit allem. Ich habe eine andere Vorstellung von Urlaub, auch die Kids fanden es immer nervend mit dir.«
»Jetzt sind’s die Kinder, ja?«
»Warum nicht?«
»Was denn noch? Meine Klamotten, die Augenfarbe, die gestreifte Zahnpasta, die Waschmaschine, die man nicht ausräumt, Wasserkästen, die man nicht hochschleppt, die besten Klassiker aus Funk und Fernsehen.«
»Es ist jetzt egal«, sagte sie leise.
»Nein –«
»Doch.«
Sie sah ihn lange an. »Ich halte es für besser, wenn wir uns trennen.«
Er schaute ebenso lang zurück.
Sie schwiegen.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich der Minutenzeiger der Küchenuhr leicht bewegte, ein Ticken, dann ein weiteres, er strich sich über den Unterarm, klopfte mit den Fingern leicht auf den Küchentisch, als könne er so den Rhythmus des Tickens verändern, es half nichts, der Zeiger bewegte sich noch einmal. Und noch einmal, das Beil war gefallen, sie waren bereits Fremde. Gemeinsame Jahre, die jetzt vergingen wie Schnee.
»Bastien?«
Er spürte, dass es keinen Sinn machen würde, auch nur ein weiteres Wort zu verlieren. Für diesen Moment hatte er verloren. Sie hatte nicht wirklich mit ihm reden wollen, es ging nur darum, ihm das hier mitzuteilen. Es war eine Hinrichtung, sonst nichts.
»Bastien?«
Er verstand nicht, dass sie ihn in ein solches Messer laufen ließ. Sie hätte –
»Ich weiß, dass dich das jetzt schockiert, aber ich halte es wirklich für richtig. Es ist der einzige Weg, um –«
»Um was? Ich habe mir unser Wiedersehen anders vorgestellt. Du hast mir am Telefon auch nie etwas von einem Therapeuten erzählt.«
»Hätte ich das tun sollen? Dir den Urlaub damit versauen?«
»Besser, als mir das Leben zu versauen.«
»Übertreib nicht.«
»Ich übertreibe? Wir sind über acht Jahre zusammen, wir leben zusammen. Und jetzt – das war’s, aus, einfach so. Was ist daran übertrieben?«
Er schlug mit der Handfläche auf den Tisch, sie zuckte zusammen: »Du musst mich verstehen.«
»Ich verstehe gar nichts. Diese Gründe, ja? Die es gar nicht gibt.«
»Doch. Es gibt sie.«
Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen und zitterte: »Wir haben uns einfach nicht mehr wahrgenommen, das ist es doch. Vor ein paar Jahren wärst du nie auf den Gedanken gekommen, nicht mit mir zu verreisen, sondern mit jemand anderem; du hast dich verändert, du bist nicht mehr wirklich – bei mir, mit mir, alles dreht sich nur um dich, um deinen Kopf, deine Bilder, deine Freunde, aber nicht mehr um uns. Ich verstehe dich nicht mehr.«
So wie damals , fügte sie leise hinzu. Natürlich wusste er, was sie meinte, schwieg aber wohlweislich zu seiner Liaison mit Nicole, einer Galeristin aus Leipzig; sie hatte davon erfahren und anschließend zwei Wochen lang kein Wort mehr mit ihm gewechselt. In zwei weiteren Wochen hatte er es mit vielen Beteuerungen geschafft, sie halbwegs wieder von seiner Treue zu überzeugen, halbwegs eben nur, wie er jetzt feststellen musste.
Ihre Stimme nahm an Bitterkeit zu: »Weißt du, wir waren doch beide wie Zuschauer unserer selbst, in den letzten Monaten, so als wäre das alles hier nicht unser Leben und unsere Verantwortung. Du hängst nur noch deinen Gedanken nach, siehst mich mehr als Dauergewohnheit und Alltagskumpel als als deine Frau ; wir haben eigentlich gar nichts mehr
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