Geh auf Magenta - Roman
harmlosesten gewesen, allesamt mit einem entrüsteten Unterton versehen. Auch die folgenden Worte klangen so: »Es ist ja nicht das Einzige, um das ich mich zu kümmern habe.«
»Ich weiß, die Firma.«
»Ja, auch. Aber einfach alles hier. Nicht nur die Kinder.«
»Was meinst du?«
»Dich, zum Beispiel. Ich kümmere mich doch um dich. Das ist ja auch etwas.«
»Ich komme schon klar«, sagte sie und spürte das Zucken ihrer Mundwinkel, drehte den Kopf zur Seite. Er sah sie direkt an: » Du kommst klar? Mit was denn genau? Weil die Leute so scharf auf deine Bilder sind?«
Das Zucken ging in ein beständiges Zittern über, die Worte Ich habe schon Bilder verkauft kamen nicht mehr über ihre Lippen, sie drückte die Zigarette mehrmals im Aschenbecher aus. Er stellte ihn auf die andere Seite des Tisches. »Du rauchst zu viel.« Sie nickte. Seine Stimme kam jetzt ruhig und sanft herüber: »Sieh mal, ich meine das doch nicht – blöd, abwertend. Das mit den Kindern ist nur nicht immer einfach. Es geht ja auch um dich, oder? Ich denke, man müsste das alles einmal kanalisieren, in die richtige Gegend lenken, so etwas. Mehr nicht.«
»Was?«
»Du sitzt da jeden Morgen vor dem Rechner, setzt ein Bild nach dem anderen zusammen und weißt, dass du dir die Produktionskosten des Labors sowieso nicht leisten kannst. Wie wäre es damit, zuerst einmal die vorhandenen zu verkaufen, etwas an Marketing zu denken?«
Er zog die Augenbrauen auffordernd in die Höhe, fügte dann hinzu, dass sie einfach begreifen müsse, dass er das eben auch sehe, seine Verantwortung ihr gegenüber, besonders jetzt, in ihrer – Hilflosigkeit. Das beginne mit der Miete, den Versicherungen und ende bei den ganzen Kosten für die Kinder, das könne sie gar nicht stemmen. Zumindest noch nicht.
»Ich habe dich nicht gebeten, das zu tun«, sagte sie leise.
»Es war ohne Alternative, das weißt du auch. Dein Ex hat nicht einmal danach gefragt.« Er nahm ihre Hand. »Und ich mag warmes Wasser beim Duschen.«
»Ich schaffe das, ganz bald.«
Er drückte die Hand fester: »Das musst du nicht. Ich bin bei dir, verstehst du? Ich möchte nur, dass du einfach zu mir stehst, in allem. Bastien muss nicht besucht werden, und wenn ich diese Mädchen für kleiner halte, als sie eigentlich sind, ist das doch eher – süß, nicht? Wir werden jetzt super Tage haben, nur wir beide, einfach mit der Zeit, die wir brauchen.«
Er fügte ein Ich liebe dich hinzu und küsste sie auf den Mund: »Wir sind da die ganze Zeit erreichbar. Und jeden Tag gibt es Flüge.«
»Ich weiß. Es ist ja auch nur so ein Gefühl. So weit weg zu sein von den beiden.«
Er sei so gespannt auf die Wüste, diese Wadis, das müsse unglaublich sein, und überhaupt – den ersten Januar bei fünfunddreißig Grad zu erleben. Wenn es zu heiß wäre, könnten sie auch ein paar Tage am Roten Meer einlegen, kein Problem.
»Ich liebe dich«, wiederholte er.
»Ich dich auch.«
Sie löste sich aus seiner Umarmung, es sei schon spät. Und morgen stünde wieder ein volles Programm an. Sie ging hinüber ins Bad, setzte sich sofort auf den Toilettendeckel und vergrub das Gesicht in den Händen. Ein Make-up-Fläschchen fiel auf den Boden und zersprang, ihr Fuß schob es achtlos beiseite. Zwischen den Fingern lugte sie zur Tür, die ihr unnatürlich gebogen und rund vorkam, die Klinke prangte in der Mitte, riesig, sie wurde größer, wuchs ihr entgegen. Aber es blieb ruhig, niemand drückte dieses Ding herunter. Noch nicht.
Sie sammelte die Scherben vom Boden auf und schnitt sich dabei in die Fingerkuppen. Sie verspürte keinen Schmerz, nichts, nur eine schmale Taubheit, in den Fingern, am ganzen Körper.
Ich bin das nicht.
Ein Biss auf die Lippe. Auch dort kein Schmerz, nur ein Kribbeln, aber es hallte in ihr, ein hohler Ton; ein Holzstück, im Metall gerührt, er könnte es jetzt auch an diese Tür schlagen. Sie biss sich noch einmal auf die Lippen und stand vorsichtig auf.
Thomas räumte die Teller ab, spülte sie und putzte den Tisch, stellte dann das Frühstücksgeschirr für den nächsten Tag bereit und legte die Servietten aus.
Er nahm das Telefon aus der Jackentasche und schaute auf die letzten SMS: Es würde mich freuen, wenn wir unsere Reiseberichte am Samstagabend mit einem guten Essen vertiefen könnten. Um 8 im Victorian’s? Schöne Grüße von Thomas Deger , stand dort zu lesen. Die Antwort: Bin gespannt auf diese Vertiefung. Also bis Samstag, Degen grüßt Deger. Er hatte noch Fahre
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