Geh auf Magenta - Roman
bleiben. Ebenfalls benötigte er neue Pinsel und Farben; und vor allem eine Idee für die neue Serie. Frings’ Besuch lag ihm wie ein Stein im Magen, vielleicht wäre es einfacher, wenn er sich mit einer Spontanreise absetzen würde, aber auch dafür benötigte er eben das, was er nicht hatte – Geld.
Er stellte die Pfanne in die Spüle und stellte den Rechner an. Vor dem Gang nach draußen wäre jetzt etwas Ablenkung gut.
Bist du schon gesprungen? – Bruder , schrieb er.
Sie schrieb sofort zurück: Ja.
– Und wie war’s?
– Toll. Im Steilflug runter. Der Aufschlag war besonders schön, ich bin richtig zerspritzt.
– Wow. Fühlt man sich dann erleichtert?
– Schon. Alle Last fällt einem von den Schultern. Solltest du auch mal machen.
– Willst du denn noch mal?
– Immer, sterben ist super.
– Was machst du denn morgen Abend?
– Da bringe ich drei Könige um; das ist ein scheiß Tag, ich mache da gar nichts.
– Du bleibst allein?
– Ja. Ich hasse Familienrituale.
– Ich gehöre aber nicht zur Familie, oder?
– Trotzdem.
– Was macht das Schreiben?
– Läuft gut. Bin fast fertig.
– Worum geht’s denn?
– Um einen Typen, der andauernd ein Kind fickt.
– OK. Und sonst?
– Um eine, die das weiß und ihm dann einen Brief schreibt, in dem sie ihm droht, das ganze Material an die Presse zu schicken.
– Material?
– Ein Video von ihm gibt’s auch noch.
– Gut. Aber warum sollte ihn das mit der Presse schocken?
– Weil er, wie man so sagt, ein angesehener Bürger ist.
– Sie droht ihm nur mit der Presse oder tut sie’s wirklich?
– Das kommt drauf an.
– ?
– Sie sagt ihm, dass sie darauf verzichten wird, wenn er sich freiwillig umbringt.
Er fragte sich, ob man sich so etwas wirklich ausdenken könne oder ob sie das aus der Zeitung hatte, und schrieb: Aber wer würde sich schon freiwillig umbringen? Dann doch lieber die schlechte Presse.
– Nicht bei ihm. Der gute Ruf ist alles.
– Könnte ihn ja fragen, ob er das dann auch für die Kunst macht.
– Bestimmt. Er ist Sammler.
Das klang seltsam real. Er schrieb: Gute Story. Wo hast du die her?
– Von der Straße , schrieb sie.
– Kann ich’s mal lesen?
– Die Geschichte oder den Brief?
– Beides.
– Ich kopiere dir jetzt ein Stück aus dem Brief , schrieb sie, dann folgte der Text:
»Wie konntest du davon ausgehen, dass es nichts mit mir macht, dass es mich nicht psychisch umbringen wird? Nein, du konntest nicht davon ausgehen, du hast dieses Risiko bewusst in Kauf genommen, dein kleines Mädchen durfte ruhig zerstört werden. Dein Drang war dir wichtiger als das, dein Drang, deine Geilheit, war dir wichtiger als mein Leben. Wenn du mich zerstört hättest, wäre da bestimmt auch irgendeine Erklärung gewesen, dass du das ja nicht wolltest und wie schlimm es denn wäre, so etwas. Du hast immer Erklärungen für alles. – Vielleicht wolltest du sie ja auch, diese Zerstörung? Aber ich habe dir diesen Gefallen nicht getan, ich lebe, und jetzt werde ich es sein, die dich zerstört. Denk über meinen Vorschlag nach, und du wirst sehen, dass es nicht der schlechteste ist. Wenn Staatsanwälte und Journalisten erst mit dir fertig sind, wirst du es ohnehin tun.«
Bastien dachte wieder, dass das sehr real klang, er schrieb etwas hilflos: Gut getextet. Aber der Brief ist Teil der Geschichte?
– Nein, die sind voneinander unabhängig. Die Geschichte ist nur für mich, der Brief ist für alle.
– Aber der Typ ist doch fiktiv?
Die Antwort ließ eine Zeit lang auf sich warten: Wenn man so will, ja. Oder auch nicht. Magst du es?
– Ich sag doch, dass du super schreiben kannst. Kann ich auch den Rest lesen?
– In ein paar Tagen.
– Auch gut. Und dann reden wir darüber, ja?
– OK.
– Nächste Woche?
– OK.
Er schrieb seine Adresse in das Textfeld.
– Ist das Kreuzberg? , schrieb sie.
– Ja. Komm vorbei. Wann?
– Schreibe ich noch. – Ende. Schwester.
Bastien blickte noch eine Zeit lang auf den Bildschirm. Vor dieser Frau konnte man wirklich Angst haben.
Er griff zur Jacke und ging hinaus.
*
Die SMS auf seinem Display versetzte Rob in einen regelrechten Glücksrausch, Danke für deine Nachricht. Komme gleich schon mit den Fotos, so um 17 Uhr? Sonia. PS: freue mich riesig!
Das Aufräumen des Ateliers dauerte seine Zeit, der letzte Besuch lag mindestens zwei Monate zurück. Vorsorglich hatte er bereits gestern drei Flaschen Prosecco gekauft und ein paar Tüten Chips. So gesehen war er
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