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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Richtung, Arendals stolze Riesen als Silhouetten vor der Sonne.
    »Nein, das sind keine Monster. Das sind Arbeitskräne.«
    »Dinosaurier«, sagte Jon und hüpfte auf dem Rücksitz.
    Sie fuhren durch den Ort Torslanda, an der Kirche vorbei und auf dem Kongahällavägen weiter nach Norden. Bei der blauweißen Würstchenbude bog Wide links auf den Lillebyvägen ein, fuhr langsam zwischen den Höfen dahin. Einige Kinder und ein erwachsener Mann verbrannten Laub und Reisig in einem Räucherfass. Der Qualm trieb auf sie zu und stach herrlich in die Nase. Zwei Minuten später hatten sie den höchsten Punkt erreicht und sahen dort unten den Björköfjorden mit Björkö und weiter draußen Öckerö und Hönö und all die kleineren Inseln und Felsen, die darum herum verstreut lagen. Jonathan Wide hörte seine Tochter wie in einer Art Entzücken tief einatmen, bevor das Auto in das Campinggebiet fuhr, wo einsame Wohnwagen standen. Sie parkten einen halben Kilometer weiter in Sillvik, wo das Meer den Weg abschnitt, und packten aus: eine Papiertüte Feuerholz, eine Thermoskanne mit warmem Kakao, Wiener Würstchen, Brötchen, Senf und Ketchup, ein Messer, eine kleine Axt, Becher und Kissen zum Draufsitzen. Jon war sofort an den Wassersaum gelaufen, seine Schuhspitzen ein paar Millimeter vom Wasser entfernt, hatte sich zurückgezogen, wenn es näher kam, war ihm gefolgt, wenn es sich zurückzog.
    Wide sah sich um. Sie waren allein, es war noch keine zehn Uhr. Vermutlich würden später mehr Leute kommen, wenn ihnen ins Bewusstsein drang, wie schön der Tag war.
    Ihm hatten Orte außerhalb der Saison immer gefallen, vorher oder nachher, wenn die Schilder abmontiert und Türen geschlossen waren und die Farben wieder ihre natürliche Nuance angenommen hatten. Der Lebensmittelladen von Sillvik mit dem Coca-Cola-Schild aus den fünfziger Jahren lag verlassen da, keine Menschenschlangen davor. Das war es, was ihm gefiel: die Erinnerungen, die fast sichtbar wurden, wenn der Sommer schlummerte und der Herbst das Regiment übernommen hatte, die Zwischensaison, die kein Ende und keinen Anfang bedeutete, eine Ruheperiode, ein ruhiges Warten.
    Sie folgten der Promenade bis zu ihrem Ende, kletterten Felsen hinauf, auf denen ihre derben Schuhe festen Halt fanden, und wählten eine Spalte oben in der Klippe. Unter ihnen lag Hästeskären und ein Stück weiter nördlich Geteryggen, erstreckte sich die Felsenlandschaft von Bohuslän in kleineren und größeren Stücken über das Wasser bis zum Horizont verstreut. Er war sichtbar, wie eine Luftspiegelung. Jon hatte nach dem Rand dort hinten gefragt, und sein Vater hatte einen Erdball in die Luft gezeichnet und zu erklären versucht, war aber nach wenigen Worten über den jahrhundertealten Hang der Menschen, zu dieser Horizontlinie zu gelangen, stecken geblieben. Dieser Anblick an diesem Samstag – das ist größer als das Leben, dachte Jonathan Wide und blinzelte in das glühende Licht. Größer als das Leben: Es war schon da, bevor wir kamen, es wird noch da sein, wenn wir fort sind.
    Er spaltete das Holz mit dem Beil, Jon und Elsa schichteten zusammengeknülltes Zeitungspapier, Späne und gröbere Scheite wie eine Pyramide aufeinander, und sie durften das Feuer jeder von seiner Seite mit einem eigenen Streichholz anzünden. Es flammte auf, fraß sich in die dünnen Späne und brannte. Still standen sie da, sahen zu, wie das Feuer größer wurde und dann kleiner; die größeren Scheite begannen zu glühen. Wide und seine Kinder gingen zu einem Gebüsch am Rand des Felsens. Er schnitt einen Ast ab und schnitzte daraus drei Grillspieße, an die sie die Würstchen steckten, um sie übers Feuer zu halten. Jons Würstchen war nach einer Weile genau so, wie ein Würstchen in der Natur gegrillt sein soll: außen verkohlt, innen kalt.
    Elsa zögerte lange, ehe sie in ihr Würstchen biss, einmal und dann noch einmal.
    »Iss ruhig, es kann dich ja niemand sehen. Schmeckt es gut?«
    »Ja, aber heute esse ich bestimmt zum letzten Mal Wurst.«
    »Ich hab auch Gemüsepiroggen im Rucksack.«
    »Wo? Das hast du ja gar nicht gesagt.«
    »Eine Überraschung. Steck eine auf den Spieß und halt sie übers Feuer wie ein Würstchen. Aber vielleicht schmecken sie auch kalt.«
    »Dann kann ich die Wurst aufessen«, sagte sie, und Wide sah die Logik des Kindes darin.
    Nach einer Weile rutschten sie zum Meeresufer hinunter und warfen Steine ins Wasser.
    »Wenn es ein kalter Winter wird, können wir hier übers Wasser

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