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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Göteborg passiert ist. Ich würde Ihnen ja so gern helfen. Aber Namen sagen mir gar nichts, ich erinnere mich wirklich nur an den Namen einer Freundin, nur an den.«
    »Und nicht an dieses Gesicht?«
    »Nein.«
    »Sie erinnern sich an nichts anderes? – Irgendwas Besonderes, was in dem Sommer passiert ist?«
    »Es ist ja ziemlich viel passiert. Wie meinen Sie das?«
    »Ein Unfall, irgendwas?«
    »Jemand hat Bauchschmerzen gekriegt … Vielleicht war’s der Blinddarm. Sie wurde abgeholt und ins Krankenhaus von Värnamo gebracht.«
    »Es war eine Sie?«
    »Ich glaube, ja. Aber sie ist noch vorm Sommerende zurückgekommen.«
    »Sonst nichts?«
    »Was, zum Beispiel?«
    »Als ich selbst im Sommerlager war, gab es so manchen Ärger. Jemand wurde sogar etwas gemobbt.«
    »An dergleichen kann ich mich nicht erinnern. Was aber nicht bedeuten muss, dass es nicht vorgekommen ist. Jedenfalls hab ich nicht direkt Auseinandersetzungen mit angesehen. Nein. Das ist das Unheimliche … Ich denke darüber nach, seit Sie angerufen haben. Dass eins dieser Kinder, die damals dabei waren, jetzt ermordet wurde.«
    »Ja.«
    »Und Sie meinen, damals im Sommerlager passierte etwas?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe keine Spur. Ich wollte nur die verschiedenen Möglichkeiten überprüfen.«
    Sie dachte nach. Wide war schon vorher aufgefallen, dass sie mit Daumen und Zeigefinger an ihrem Ehering drehte, während sie nachdachte. Dann sagte sie plötzlich:
    »Einmal, als wir uns versam… Irgend so was.«
    »Wie bitte?«
    »Ein Fotograf, ja, natürlich, so war es. Einmal ist ein Fotograf gekommen und hat uns fotografiert. Kinder, Erzieher, alle haben sich versammelt.«
    »Das ist ausgezeichnet.«
    »Warum ist mir das nicht eher eingefallen? Aber vielleicht hilft das ohnehin nicht weiter. Das Foto besitze ich nicht.«
    »Könnte es nicht in irgendeinem Karton liegen?«
    »Nein. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich das Bild jemals bekommen habe.«
    »Aber Sie sind sicher, dass fotografiert worden ist.«
    »Ja, das bin ich. Wir mussten uns alle unter einem Baum aufstellen, glaube ich. Es gab einen, dessen Stamm teilte sich in der Mitte; in der Gabelung konnten einige sitzen.«
    »Aber ein Bild haben Sie nicht gesehen.«
    »Nein … Vielleicht hing eins am schwarzen Brett. Wahrscheinlich, aber daran kann ich mich nicht erinnern.«
    »Und ich kann natürlich nicht erwarten, dass Sie sich erinnern, wer der Fotograf war.«
    »Nein.«
    Vermutlich ein Berufsknipser aus der Kommune Värnamo, dachte Wide.
    Vor über dreißig Jahren. Einen Versuch war es trotzdem wert.
     
    Hier drinnen herrschte ein besonderes Licht, eine besondere Luft. Er spürte es, sobald er das Foyer betrat, das zu seiner Zeit anders ausgesehen hatte.
    Alles schlug ihm entgegen, als er hereinkam. Seit dem Umbau 1985, oder wann das nun gewesen war, hatte sich viel verändert, aber nicht das Gefühl, woanders zu sein, wie eine Art Freiheit. Er konnte lange vor den Flaschenpalmen dort links stehen, genau vor der Tür. Zu dieser Jahreszeit drängelten und stießen sich dort keine Leute. Er hatte seine Ruhe und mehr verlangte er ja gar nicht; jetzt wollte er nur seine Ruhe haben, er war sehr erstaunt darüber, dass ihn jemand wie dieser arme Teufel im Park verfolgt hatte. Der hatte ihn doch noch nie gesehen, der bildete sich das bloß ein; und wenn er ihn gesehen hätte, spielte das keine Rolle, es gab keinen Grund, ihn zu verfolgen.
    War der Unglückliche ihm aus Dankbarkeit gefolgt? Weil er ihm einen kleinen Dienst erwiesen hatte? Dankbarkeit war nicht nötig, er wollte nichts mehr mit denen zu tun haben, das war nicht gut für ihn. Weder das eine noch das andere wollte er mehr, das hing alles zusammen, und er brauchte keine Läuterung. Er wollte nichts mehr damit zu tun haben. Wollten die ihm drohen? Zeigten sie etwa auf diese Art ihre Dankbarkeit? Was wussten die denn davon, was er erlebt, was er durchgemacht hatte.
    Er wusste, warum er die Nähe der Pflanzen suchte. Was wuchs und grün war, hatte genug mit sich selbst zu tun. Die Pflanzen waren nicht grausam wie andere wachsende Geschöpfe, die noch grausamer wurden, wenn sie ausgewachsen waren. Sie waren auch gegen alles Übrige grausam, was in der Natur wuchs: Wer pflegte die Flaschenpalmen, wo sie zu Hause waren, auf Round Island vor Mauritius? Er kannte ihr Schicksal. Es gab nur noch zehn Exemplare in der freien Natur, und diese Palmenart würde aussterben, wegen der Nutzbarmachung des Bodens. So was ließ man sterben,

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