Geh aus, mein Herz
ist zwar ein Scheißkerl und seine Frau zu Hause ist auch nicht ganz unschuldig, obgleich sie genau das in dieser Version behauptet. Aber bei Pinkerton gibt es eine Andeutung von Reue. Das gefällt mir.«
Shaeffer schwieg. Er goss sich selbst ein kleines Glas Wein ein.
»Puccini mochte auch die abgemilderte Version lieber, wenn ich es richtig sehe.«
»Sagst du das, weil ich dir empfohlen habe, du sollst dich lieber von Puccini fern halten?«
»Nein.«
»Aber eigentlich hörst du gar nicht zu.«
»Nein.«
»Allem leistest du Widerstand.«
»Das stimmt nicht, nur Autoritäten.«
»Und ich bin so eine?«
»Im Augenblick bist du es, jedenfalls für die Gänseleber und den Pie, die da gerade kommen.«
Wide sog die Düfte vom Teller ein: Kräuter und liebliches, lebensgefährliches Fett und reife Tomaten.
»Sind hier auch sonnengetrocknete Tomaten drin?«
»Das ist der letzte Schrei. Wusstest du das nicht?«
»Ich dachte, im Augenblick müsste an allen Speisen Meerrettich sein.«
»Vergessen und begraben.«
»Ich mag Meerrettich.«
»Trotzdem, gone but not forgotten. «
»Das schmeckt gut zu Pasta.«
»Ja.«
Wide aß schweigend die kleine Portion.
Shaeffer kam zurück.
»Du weißt, dass Frauen mutige Männer bewundern, die sich über Autoritäten und Gruppendruck hinwegsetzen.«
»Da kriegt man doch gleich ein Gefühl von Geborgenheit. Wie steht es bei dir?«
»Ich empfinde dasselbe, aus meiner Perspektive.«
»Du hast keine Angst vor … Männern.«
»Jedenfalls nicht vor denen, für die ich mich interessieren könnte.«
»Glaubst du, ich hab Angst vor Frauen?«
»Nein.«
»Manchmal glaube ich es aber selber.«
»Wenn du aggressiv bist, dann hast du Angst vor Frauen. Die beiden Sachen passen nicht zusammen. Frauen scheuen die Aggressivität. Sei der, der du wirklich bist.«
»Wer bin ich?«
»Der, der hier vor mir sitzt und fähig ist, selber zu denken. Ein widerspenstiger Kerl. So was kommt an.«
21
Janne-Janne rannte. Himmel, er konnte rennen, wenn er musste, und jetzt musste er. Als ob der Schnapsladen in diesem Augenblick für alle Ewigkeit dichtmachte. Die Reflexe waren nicht verloren gegangen, einmal hatte er in der Schule den Sechzig-Meter-Lauf gewonnen. Noch war Leben in ihm, und er wurde nicht mal müde, obwohl er schon fast oben auf dem Sprängkullen war.
Dieses Gesicht – als es gewissermaßen zu seinem Gesicht heruntergeflossen war, da dachte er, er müsse auf der Stelle sterben; er wusste nicht, was ihn veranlasst hatte zu reagieren, aber das war schon mal passiert. Vor vielen, vielen Jahren hatte er auf einer Parkbank in Kopenhagen geschlafen und war aufgewacht, weil er so verdammt durstig war. Drei Dänen hatten sich genähert, er hatte sie gefragt, wo es etwas zu trinken gebe, und sie hatten sich bereit erklärt, ihm den Weg zu zeigen. Unten am Hafen merkte er, dass einer von denen plötzlich hinter ihm ging und die anderen beiden an seiner Seite, und mitten in einem Satz, den er gerade von sich geben wollte, hatte er auf dem Absatz kehrtgemacht und war über widerhallendes Kopfsteinpflaster davongestürmt.
Und diese Taktik hatte er auch diesmal angewandt. Er war unter dem Arm des Großen weggetaucht und davongestürmt wie eine Antilope, zurück durch den Park und an der Kirche vorbei, ohne den schlafenden Sixten zu stören oder ihn zu warnen. Erst beim Skanstorget wurde er langsamer.
Scheiße, was sollte er jetzt tun? Verfolgte der andere ihn? Nein. Sollte er umkehren und sich vergewissern? Nee, vielen Dank.
Janne-Janne sah sich um, aber das gab ihm keine Sicherheit. Sollte er sich beruhigen? Er versuchte es, aber das konnte dauern.
Vielleicht hatte überhaupt keine Gefahr bestanden. Hatte er sich vielleicht in der Person getäuscht? War es wirklich der, der Decken über Jungs breitete, die an der frischen Luft lebten? Nach dem die Polizei suchte?
Janne-Janne beschloss, sich zu beruhigen. Es könnte ja auch ein ganz anderer gewesen sein. Der sich gefragt hatte, warum der Kerl ihm dauernd folgte. Der nur ein paar freundliche Worte wechseln wollte. Dass er oben im Hagapark gestanden und sie beobachtet hatte, war vielleicht nur ein Zufall. Und so weiter und so weiter.
Sollte er wieder zur Polizei gehen? Wieder vor einem riesigen Computerbildschirm stehen und so lange reden, bis ein Gesicht entstand? Aber wenn es ein unschuldiges kleines Lamm aus Gottes Hain war? Darüber musste er nachdenken. Uff, war das ein harter Abend gewesen. Jetzt brauchte er Kraftstoff, das
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