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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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war mal sicher wie das Amen in der Kirche.
     
    Jonathan Wide verließ die Såggatan zehn Minuten vor neun, es war Viertel nach, als er an Kallebäck vorbei auf die Autobahn in östlicher Richtung fuhr, Göteborg im Rückspiegel. Der Wetterfrosch im Radio hatte für diesen Tag unverändertes Wetter vorausgesagt, aber Wide wusste, dass sich die chronischen Inkontinenzbeschwerden des Novembers in Kürze zeigen würden. Im Augenblick sah der Himmel aus wie mit einer dünnen Plastikschicht bedeckt; sie war durchsichtig und gemächlich erstickend, gefüllt mit Nässe, die nur auf den richtigen Moment wartete, um sich auf alle Abarten der Menschheit zu stürzen.
    Wide fror, die Heizungsanlage im Auto hatte eine neue Macke, und er merkte, dass es besser wurde, wenn er den Regler beim Fahren mit der rechten Hand festhielt. Es war eine verdammt unbequeme Art, Auto zu fahren. In Höhe von Bollebygd gab er auf und steckte eine Kassette in das Abspielteil des Radios, das in einem Knäuel von Kabeln lose auf dem Handschuhfach lag. Emmylou Harris sang für die Wälder und Gewässer und die finsteren Randgebiete von Borås, was in Wide ein schmerzliches Gefühl weckte, das ihm ziemlich echt vorkam. Most novembers I break down and cry cause I can’t remember if we said goodbye. Das geht einem zu Herzen, da der Monat doch so gern beim Weinen hilft, dachte Wide, als er durch Borås fuhr, das schwachsinnige Planer zwei Meter neben den Schlafzimmerfenstern der Stadtbewohner mit dieser Autobahn durchgeschnitten hatten. Schon das genügt, dass man weinen möchte, dachte er, tat es aber nicht. Bis vor kurzem hatte das Land einen Ministerpräsidenten gehabt, der aus dieser geteilten Stadt stammte, und Wide hatte den Verdacht, dass die Heiserkeit des Mannes durch all das Rumgebrülle in seiner Jugend entstanden war. Quer über das Niemandsland der Verkehrsführung, das ihn von seiner Herzallerliebsten auf der anderen Seite trennte. Aber damals gab es die Autobahn wohl noch nicht, dachte Wide, hielt das Bild jedoch noch eine Weile fest, weil es ihm gefiel.
     
    Vor zwölf erreichte er das Zentrum von Värnamo. Er kam an einem großen Ziegelbaukomplex vorbei, den er für eine Schule hielt, was ihm einige Sekunden später ein Schild am Giebel bestätigte: Finnvedsschule, in drohendem Schwarz wie eine letzte Warnung an die erst halbwegs gebrochenen Seelen. Jonathan Wide konnte sich nicht erinnern, dass er sich in diesem Schulsystem jemals zu Hause gefühlt hatte.
    Er fuhr in Richtung Süden, bog in ein Villenviertel ab, das menschenleer zu sein schien, wenn die Kinder nicht zu Hause waren, hielt im Rönnbärsvägen vor einem Souterrain, das mit weißen Ziegeln verkleidet war, und stieg aus. Er reckte sich, so diskret er konnte. Die ganze Strecke von Göteborg war er ohne Pause gefahren, und das bereute er jetzt. Hunger hatte er auch. Er fragte sich, ob er dort drinnen eine Tasse Kaffee und einen Happen zu essen bekommen würde.
    »Eine Tasse Kaffee? Möchten Sie etwas dazuhaben?«
    Die Frau war in seinem Alter, jedenfalls sollte sie das sein, und sah doch nicht mal wie fünfunddreißig aus, noch nicht einmal wie dreißig, und legte es nicht darauf an, so zu wirken. Sie musste um die vierzig sein und war genau wie Wide in den frühen sechziger Jahren im Sommerlager gewesen – genau wie Rickard Melinder.
    Außerdem war sie am Hindsen im Sommerlager gewesen – Värnamo war nicht von Feuersbrünsten heimgesucht worden und die Listen waren erhalten. Aus ihnen ging hervor, dass sie gleichzeitig mit Melinder dort gewesen war, im Sommer 1962.
    Wide wäre am liebsten sofort hinausgefahren und dann wieder hierher, aber sie hatte am Vormittag zu tun. Sie sah aus, wie ihre Stimme am Telefon klang: ruhig, nahm sich Zeit nachzudenken, ehe sie antwortete.
    »Gern einen Kaffee.«
    »Ich hab ein paar Käseschnitten vorbereitet.«
    »Wunderbar, danke.«
    Sie verließ den spärlich möblierten Raum: Parkett, ein antiker Schrank, der teuer aussah, eine Sitzgruppe, mit einem dünnen, einfachen Stoff bezogen, dessen Design Wide gefiel; außerdem war der Sessel, in dem er saß, bequem. Durch eine Tür konnte er in ein Zimmer sehen, das mit Bücherregalen gefüllt zu sein schien. Eine moderne Großvateruhr tickte quer durch den Raum, in dem er sich befand. Das Geräusch klang beruhigend.
    Die Frau kehrte mit einem Teller belegter Brote zurück. Der Kaffee stand schon auf dem Tisch, die Tassen daneben. Ihr Name, Siv Karlsson, war direkt und simpel, wie ihre

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