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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Es gab nur wenige freie Flächen, er musste große Schritte über Reisig und kräftige Äste machen, die einen zweiten Boden über dem Waldboden bildeten.
    Hundert Meter weiter entdeckte er einen Reisighaufen, der bearbeitet aussah, aber nicht von der Natur. Er ging näher heran, und da sah er die Hütte: Wacholderbeeren, die von der Zeit fast balsamiert und hart wie Stein geworden waren, Bretter und Gerümpel und Tannenzweige. Wann war diese Hütte gebaut worden? Wide wusste, dass so etwas sehr lange Bestand haben konnte, wenn man pfleglich damit umging.
    Er drang noch fünfundzwanzig Meter weiter vor, aber das war gleichsam, wie sich in einen Dschungel zu bohren; er kehrte um, folgte seiner eigenen Spur und ging zurück zum Auto.
     
    Der Tag war vorbei, als er im Zentrum parkte und zur Redaktion der Värnamo Nyheter schräg gegenüber vom Kaufhaus hinaufging.
    Peter Sjögren hatte mit der Erfahrung eines Journalisten behauptet, man müsse bei der lokalen Medienmacht anfangen zu suchen, wenn man in einem fremden Gebiet nach Informationen sucht, und diesen Rat befolgte er.
    Er hatte wirklich eine seltsame Frage, und die Redaktion war im Moment zu jung, um darauf antworten zu können, aber wenn er eine Weile wart…, ach, da kam er ja gerade, und Göte Jonsson war vermutlich der Einzige, der vielleicht etwas wusste.
    Göte Jonsson war Chef vom Dienst und würde im nächsten Jahr in den Ruhestand gehen, ein Mann, der das meiste gesehen und gehört hatte und sich an Hindsekind erinnern konnte. So furchtbar lange war es ja noch gar nicht her, dass das Ferienlager geschlossen worden war, und das war nur gut so. Göte Jonsson gefiel die Vorstellung nicht, dass man Kinder wie eine Herde Kälber zusammengepfercht hatte.
    Bilder? Nein, damit konnte die Zeitung nicht dienen, obwohl man das vielleicht vermuten sollte. Das Sommerlager hatte einen Vertrag mit einem ortsansässigen Porträtfotografen gehabt. Mal drüber nachdenken … Wenn Wide ein Weilchen Geduld hätte, würde er ein bisschen rumtelefonieren.
    »Sehr nett von Ihnen.«
    »Sind Sie übrigens selber Småländer? Da ist etwas in Ihrer Sprechweise …«
    »Ich hab ein paar Jahre in Sävsjö gewohnt.«
    »Ach du Scheiße.«
    »Wieso?«
    »Sind Sie kürzlich mal dort gewesen?«
    »Nein.«
    »Fahren Sie hin, dann werden Sie sehen.«
    »Sävsjö kann sich wahrscheinlich nicht mit Värnamo messen.«
    »Nichts kann sich mit Värnamo messen. Värnamo ist der Mittelpunkt. Jönköping hat zum Beispiel den Ruf, Smålands Jerusalem zu sein, aber wir hier halten den Weltrekord freier Kirchen.«
    »Wirklich?«
    »Bei Gott, so ist es. Ich bin nicht religiös, aber man kriegt einen Zorn, wenn Recht nicht Recht ist. Wir sind die Besten hier in Värnamo, wenn es um Gott geht, vielleicht sogar die Besten auf der ganzen Welt. Die Leute kapieren es bloß nicht.«
    »Was für eine Sünde.«
    »Sünde? Nein, ich rede von Gottes Güte. Mit Sünde beschäftigen wir uns hier nicht.«
    Göte Jonsson war offenbar ein Weltmeister im Zynismus, aber jetzt entschuldigte er sich und telefonierte eine Weile.
    »›Natanaels Porträt‹, beim alten Polizeigebäude. Sie haben Glück.«
    »Scheint so.«
    »Schöner Name für eine Firma, was? Und der Alte ist im Augenblick sogar im Laden. Er hat ihn gegründet und wird ihn an seinem letzten Tag mit in den Himmel nehmen. Wenn einer ein gutes Porträt vom Herrn machen kann, dann ist es Natanael.«
    Der zukünftige himmlische Hoffotograf wartete hinter dem Tresen, als Wide, Jonssons Anweisungen folgend, den Marktplatz und die Kreuzung überquerte und die wenigen Schritte bis zu dem Schild »Porträt« ging, das ihm in grün schimmerndem Reklamelicht durch den düsteren Nachmittag entgegenleuchtete, und den Laden betrat.
    Dieser Mann hatte die Kinder da draußen fotografiert. Es war überhaupt seine Idee gewesen.
    »Eigentlich sollte damals jedes Kind ein Foto von der ganzen Gruppe mit nach Hause nehmen, aber mit den Bestellungen war das so eine Sache.«
    »Wollten nicht alle eins haben?«
    »Doch, schon, aber wer sollte sie bezahlen?«
    »Sie bekamen die Bilder nicht geschenkt?«
    »Wer sollte sie ihnen schenken? Da draußen herrschte nicht gerade Überfluss. Soweit ich verstanden habe, kamen manche Kinder aus schrecklich armen Verhältnissen. Schrecklich arm, ein Elend war das zu der Zeit«, sagte der kleine Mann, der vor Wide stand, und fügte mit einer Grimasse hinzu: »Und heute ist es kaum besser.«
    Natanael Maars war mager und dunkel. Wide

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