Geh aus, mein Herz
Wanne, lehnte sich zurück, und als sein Kopf den Rand berührte, atmete er die angenehmen Dämpfe im Raum ein und tastete nach der Bierflasche auf dem Boden.
Sein Körper war weich und warm, als er sich rasierte; er wechselte die Kleidung und verließ das Zimmer. Es war fast halb zehn. Aus dem Restaurant, zwei Stockwerke unter ihm, hörte er leise Musik.
Wide ging nach unten, durchquerte die Lobby und betrat das offene Lokal, das von Tischlampen erleuchtet war. Der begrenzte Schein warf Halbkreise über die Tischkanten auf den Boden. Er setzte sich an einen Tisch für zwei Personen und bestellte ein Bier. Der Kellner hatte ihn schon kommen sehen, und als das Bierglas vor ihm stand, las Wide die kurze Speisekarte und bestellte eine Maräne. Dann hob er den Blick. Im Restaurant saßen mehr Gäste, als er vermutet hatte, überwiegend Männer in seinem Alter, vermutlich Vertreter. Sie steckten in Anzügen, die offenbar zu ihrem Outfit gehörten, das sie immer noch trugen, obwohl das Reisen und Zum-Kauf-Überreden für diesen Tag beendet war. Er sah sich diskret um. An einer langen Tafel neben einer etwas erhöhten kleinen Bühne saß eine Gruppe Frauen, die etwas zu feiern schien. Eine der Frauen erhob sich und hielt eine Rede, aber Wide konnte sie von seinem Platz aus nicht verstehen. Das Orchester machte gerade eine Pause, aber das Gemurmel der Gäste erstickte die Worte. Alle Männer, die er sah, trugen Anzüge, weiße Hemden und Schlipse. Wide registrierte es, aber er fühlte sich nicht fremd in seinem grauen T-Shirt, dem hellblauen Hemd, schwarzen Jeans und schwarzen Boots. Jetzt brachte der Kellner den Fisch. Er schmeckte ausgezeichnet.
Nach dem Essen blieb Wide noch eine Weile beim Kaffee sitzen, Alkohol wollte er keinen mehr. Er sah die Band zurückkehren und hörte kurz darauf wieder die Musik: Sie handelte von Liebe und ähnlichen Beziehungen, war mit den richtigen falschen Phrasen vertont und wurde begleitet vom Bass. Wide hatte keine besondere Meinung über diese Musik, außer dass sie ihm missfiel. Aber er verstand ihre Funktion, und er sah sie jetzt auch, als Männer und Frauen auf dem kleinen schachbrettartigen Tanzboden aufeinander zutraten für einen Tanz der späten Jahre.
Er zahlte und stand auf. Da sah er, wie die lange Tafel mit den Damen von Herren in Sakkos umschwärmt wurde, die alle scharfe Falten auf dem Rücken hatten. Es war, als ob eine Horde Drohnen den Duft von Honig geortet hätten, oder von Weibchen. Als Wide gerade gehen wollte, stieß er leicht mit einem Mann zusammen, der sich dem Tisch der Damen auf etwas unsicheren Beinen näherte, den Blick auf ein bestimmtes Ziel gerichtet, und Wide überlegte, ob der Mann wohl gerade übte, was er sagen würde, wenn er an den Tisch kam. Lieber Gott, lass mich nicht eine geile, angetrunkene Drohne im Anzug in einem Stadthotel werden, wenn ich einmal älter bin, dachte Wide und nahm den Fahrstuhl zu seinem Zimmer hinauf.
Er setzte sich an den Schreibtisch, knipste alle Lampen aus, nur die über dem Tisch nicht, nahm einen Stift zur Hand und dachte über den Tag nach.
Er war sich noch nicht im Klaren darüber, was er da gesehen hatte. Darüber musste er schlafen und nachdenken. Er zog einen Bogen Hotelpapier heran und notierte das Datum darauf, so, wie es ein Dichter machen würde. Dann schrieb er:
Vor dreißig Jahren
ich habe die jahre rückwärts gezählt
im takt der lamellen
hab die abzweigung verpasst
jetzt sind wir angekommen
einige nachzügler der sonne leuchten in deinem haar
die strahlen bündeln sich
oben auf deinem kopf
niemand ist zu hause
aber das habe ich auch nicht erwartet
eine tür schlägt im takt zu
speedy gonzales
der plötzlich in meinem kopf tönt
you better come home
töntesinmeinemkopf
im erdgeschoss suche ich die wände mit blicken
ab über dem südlichen türrahmen
sehe ich das foto
die ganze familie versammelt
ich sitze auf einem ast, nur das gesicht ist zu sehen
einige strahlen leuchten in meinem weißen haar
ihr wart so viele, sagst du
Wide legte den Stift weg und las das erste Gedicht, das er in seinem Leben geschrieben hatte, falls es ein Gedicht war. Er lächelte, sein Gesicht straffte sich, er rieb sich die Stirn und spürte wieder die Müdigkeit im Körper. Dann zerriss er das Blatt in Streifen und warf es in den Papierkorb, in dem nur der Deckel der Bierflasche lag.
23
Kajsa Lagergren hatte es zunächst für Mord gehalten. Aber Au Shan Yew würde überleben,
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