Geh Ich Auf Meine Hochzeit
sie kläglich scheitern sollte, würde man es auf die mangelnde Einführung schieben und sie nicht für einen unnützen Feigling halten, der vor Angst schlotterte, wenn er eine dritte Klasse zu unterrichten hatte.
Nachdem alles vorbei war, würde sie sich klammheimlich davonstehlen und nie wieder in ihrem Leben einen Fuß in ein Fernsehstudio setzen. Sie hatte es mit Max so vereinbart, und diese Vereinbarung besaß Gültigkeit. Nie wieder! Sie würde sehr schlecht sein, soviel war ihr jetzt schon klar; doch sie musste ja nur die nächste halbe Stunde hier herumhantieren und dann gehen. Mehr nicht.
Linda sagte in ihr Walkie-Talkie: »Kann jemand vom Ton kommen und Olivia mit einem Mikrophon ausstatten?«
Zwei Minuten später trug sie ein Mikrophon bei sich, dessen sperriger Teil in ihrem Rücken am Hosengürtel befestigt war.
»Sie werden sich prima machen«, ermutigte Kevin sie, während er die Küchenschränke öffnete und ihr zeigte, wo sie was finden konnte.
»Ich hoffe es«, erwiderte sie ernst.
»Danach klaue ich uns etwas von Nancys Champagner, damit wir feiern können«, meinte er verschmitzt.
»Nancys Champagner? Ich dachte, sie...«
»Trinkt keinen Champagner?« Kevin grinste. »Sie trinkt ihn nicht, sie schlürft ihn wie ein verdurstendes Kamel. Wenn sie nur einen Monat lang auf den Champagner verzichtete, würde sie sieben Kilo verlieren!«
Olivia lachte immer noch, als Kevin sie allein in dem Küchen-Set zurückließ. Sie fand ein paar Messer, ein Schneidebrett und kleine chinesische Schüsseln. Die letzte Köchin hatte etwas von ihrem Job verstanden, dachte Olivia, als sie ein paar Dinge entdeckte, die aus ihrer Bananen-Zwiebel-Mischung etwas Essbares machen konnten. Sofort wusste sie, was zu tun war.
»Wir können loslegen, sowie Sie so weit sind«, meldete eine fremde Stimme. Olivia wirbelte herum. Zwei Kameras waren auf sie gerichtet, und eine ganze Reihe von Menschen mit Notizblöcken starrten sie interessiert an.
Für einen Moment wurde ihr Gehirn ganz leer. Sie schaute in die Kamera vor ihr und konnte keinen Gedanken fassen. Nicht einen einzigen. Ihr Kopf fühlte sich jetzt so an wie bei Schlaflosigkeit, wo man sich, um einzunicken, rein gar nichts vorstellen sollte. Während ihrer quälenden Nächte war es Olivia unmöglich gewesen, sich rein gar nichts vorzustellen, und sie hatte ununterbrochen Gedanken gewälzt, was sie am nächsten Morgen alles erledigen musste.
Doch jetzt, vor der versammelten Mannschaft eines Fernsehstudios, ähnelte also ihr Kopf einer Tafel vor Unterrichtsbeginn - er war absolut leer. Warum war sie hier? Sie musste verrückt gewesen sein, anzunehmen, sie könne es schaffen. Vollkommen verrückt! Die Weinbrands, die Max ihr ausgegeben hatte, der Streit mit Stephen und ein übertrieben trotziger Mut hatten sie in diese peinliche Situation gebracht, in der sie sich gleich allgemein blamieren würde.
Sie spürte, wie ihr der Angstschweiß ausbrach, und blickte sich panisch im Studio nach Linda um. Diese wollte sie bitten, sie zu entlassen, und sich bei ihr entschuldigen, dass sie ihrer aller Zeit vergeudet hatte. Doch dann entdeckte sie Nancy. Die Moderatorin saß immer noch auf ihrem himbeerroten Sofa und musterte Olivia interessiert. Es war jenes gefühllose Interesse, das ein Killer im Film an den Tag legte, ehe er die Kugel auf sein Opfer abschoss. Vielleicht aber war sie gar nicht so gefühllos, dachte Olivia, denn Nancy lächelte angesichts ihrer Situation gehässig.
Der berühmte, mit Lippenstift vergrößerte Mund verzog sich zu einem herablassenden Grinsen, dessen Bedeutung schlicht lautete: »Amateure!«
Was für ein Ungeheuer sie doch war - allerdings konnte sie ihre Fernsehpersönlichkeit tatsächlich wie einen Lichtschalter anknipsen, dachte Olivia. Im wirklichen Leben eine Schlange, verwandelte sich Nancy geschickt in ihr Fernsehimage. Unmöglich konnte sie ihrem wahren Charakter vor der Kamera freien Lauf lassen, also musste sie schauspielern. Und wenn jetzt Schauspielerei gefragt war, würde Olivia ihr in nichts nachstehen. Zu Hause schauspielerte sie in letzter Zeit ohnehin ständig - sie spielte heile Familie und tat so, als ob sie nicht allmählich verrückt würde. Schauspielern war ein Klacks! Sie musterte Nancy, atmete tief durch und wandte sich erneut der Kamera zu.
»Dies hier«, sagte Olivia und erhob lächelnd eine Hand, »ist eine Paprikaschote.« Ihre Stimme klang nervös und zitterte leicht. Sie musste bestimmter und langsamer
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