Geh Ich Auf Meine Hochzeit
sprechen. Konzentriere dich, Olivia! Stell dir vor, du bist in einem Klassenzimmer mit einem Prüfer in deinem Rücken, der jede deiner Bewegungen unter die Lupe nimmt.
»Paprikaschoten sind sehr nahrhaft, unglaublich süß und ergiebig, wenn man sie richtig einzusetzen versteht. Sie bilden die Grundlage vieler einfacher Soßen. Was aber kann man machen, wenn man in Windeseile im Supermarkt eingekauft hat und mit einem traurigen Exemplar wie diesem nach Hause zurückkehrt?«
Allmählich war sie in ihrem Element. »Es in den Müll werfen und eine Pizza bestellen? Oder aber mit dem Inhalt Ihrer Vorratskammer kreativ umgehen und eine essbare Mahlzeit zubereiten?«
Aus dem Augenwinkel heraus konnte Olivia sehen, dass sie die Aufmerksamkeit der Leute hatte. Sie schienen tatsächlich interessiert daran, was man mit einer mickrigen kleinen Paprikaschote wie dieser anstellen konnte, die nicht einmal so viel Geschmack zu besitzen schien wie ein ausgedrückter Teebeutel. Sie ähnelten in keinster Weise einer dritten Klasse, zu Tode gelangweilt angesichts der Aufgabe, etwas mit einer Paprikaschote zu zaubern.
Olivia, plötzlich von neuem Selbstbewusstsein beflügelt, lächelte ihrem Publikum zu. Wenn sie die Leute des Studios als eine ausnahmsweise interessierte Schulklasse nahm, würde sie sich womöglich sogar noch dabei amüsieren.
»Die Antwort«, meinte sie mit lebhaftem Gesichtsausdruck, »sind diese Sachen hier.« Sie holte etwas Chilipulver hervor, ein paar luftgetrocknete Tomaten und getrocknete Steinpilze.
»Warten Sie einmal ab, was wir damit bewerkstelligen«, fuhr sie begeistert fort.
Kevins Miene hellte sich auf. Sein Grinsen, das aus der Menge herausstach, beglückwünschte sie. Die Sache funktionierte, dachte Olivia.
»Und wer kann mir sagen, was mit Chilipulver alles zu erreichen ist?«, fragte sie.
Plötzlich schien die Regisseurin Linda nervös zu werden, als ob Olivia den fatalen Fehler aller mit dem Fernsehen unerfahrenen Personen machte und eine Frage wie in einem Klassenzimmer stellte, die ahnungslose Techniker beantworten sollten. Doch Olivia war es gewohnt, dem jugendlichen Nachwuchs Fragen zu stellen und sie selbst zu beantworten - weil die gelangweilten Schüler lieber Songtexte in ihre Hefte schrieben und sich gar nicht um sie kümmerten. Eine Antwort hatte sie also sowieso nicht erwartet. Ohne zu unterbrechen, fuhr sie fort, was Chilipulver alles bewirkte. Sie zerkleinerte, pürierte, briet an... und hatte ihr Publikum vollkommen in der Hand.
Im Nachhinein, als sie sich fragte, wie sie vor ungefähr dreißig Leuten und zwei laufenden Kameras hatte stehen und ununterbrochen hatte reden können, wurde sie sich des Tricks bewusst: sie hatte die Kameras ganz einfach ignoriert und versucht, sich ganz auf die Zuschauer und auf das Kochen zu konzentrieren. Es war ihr gelungen. Die Leute hatten ihr fasziniert zugeschaut, als sie davon schwärmte, was für eine phantastische Mahlzeit man mit frischen Zutaten auf den Tisch bringen könnte.
Teenager interessierten sich nicht die Bohne für gesunde Ernährung oder dafür, dass ein wenig Knoblauch eines der besten Heilmittel überhaupt war. Sie wollten Fernsehgerichte zum Aufwärmen, damit sie danach ausgehen und mit den Jungs flirten konnten.
Doch den anwesenden Erwachsenen gefiel die Vorstellung, sich selbst eine Tomatensoße zuzubereiten. Ihnen leuchtete es ein, dass ein paar wenige, in Gläsern konservierte Dinge aus dem Feinkostladen sie davor bewahrten, jeden Abend nur Aufgewärmtes zu essen. Selbst wenn sie sich die Tomatensoße nicht wirklich selbst nachkochten, so wollten sie dennoch gerne etwas über deren Herstellung erfahren.
Sie ließen sie eine Viertelstunde gewähren, fünf Minuten länger als ursprünglich geplant.
»Großartig«, begeisterte Linda sich, nachdem die Kameras ausgestellt waren. »Sie sind ein Naturtalent!«
Plötzlich erschöpft lehnte sich Olivia gegen die Arbeitsplatte. »Ist das wahr?«, fragte sie, der auf einmal Zweifel gekommen waren. Sie hatte das Gefühl, es ganz gut hingekriegt zu haben, aber was wusste sie schon? Ganz schrecklich war sie wohl nicht gewesen, doch für einen echten Posten würde es kaum reichen.
»Einfach phantastisch«, meinte die Aufnahmeleiterin.
»Uneingeschränkt großartig«, stimmte auch Kevin zu. »Sie sind ein Star, Frau de Vere. Fast unglaublich, dass Sie das noch nie zuvor in Ihrem Leben gemacht haben!«
»Ich habe mir einfach nur meine allerschlimmste Klasse vorgestellt, und
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