Geh Ich Auf Meine Hochzeit
Menge Selbstbewusstsein.
Natürlich war es nicht gerade das, was man zum Unterricht einer dritten Klasse anzog. Doch Olivia wollte es unbedingt vorher getragen haben, um sich in dem Teil heimisch zu fühlen, ehe sie sich damit am nächsten Morgen im Studio zeigte. Ein Probelauf vor der schlimmsten Klasse, die jemals St. Josephs Flure entlanggetrampelt war, wäre sicher von Vorteil.
Eine völlig unbekannte Frau MacKenzie betrat zehn Minuten später gelassen den großen Raum für die Haushaltslehre. Ihr Gesicht hatte nicht den gehetzten Ausdruck, den Lehrer normalerweise an den Tag legten, wenn sie der größten Belastung ihres Lebens gegenüberstanden. Stattdessen wirkte sie selbstsicher, etwas, was ihre Schüler gar nicht gewohnt waren. Sie nahmen kaum Notiz von ihr, als sie die Tür des Klassenzimmers schloss. Frau MacKenzie und der stotternde Geografielehrer gehörten nicht zu jenen Menschen, die ihnen Respekt einzuflößen vermochten. Der Raum hätte einen Farbanstrich bitter nötig gehabt. Es stank nach einer merkwürdigen Mischung von Lebensmitteln, die wiederum weitgehend vom Gestank verbrannter Zwiebeln eines kürzlichen kulinarischen Experiments überlagert wurde. Die Klasse 3 A saß bereits an ihren Tischen. Manche warteten ruhig. Der Rest freute sich auf eine leichte Stunde, in der man sich unterhalten, Witze erzählen und darüber diskutieren konnte, welchen Typen von Boyzone man später heiraten wollte - ohne einen Funken Respekt vor einer schüchternen Frau MacKenzie.
»Guten Morgen, allerseits«, begann sie. Abgesehen von ein paar gemurmelten Begrüßungen der artigen Schüler, die niemals aufsässig waren, antwortete keiner. Der Geräuschpegel blieb gleich laut.
»Ich sagte, guten Morgen, allerseits. Jetzt setzt euch und seid ruhig.« Ihre Stimme war jetzt härter, lauter, und duldete keinen Widerspruch.
Sie warf ihnen jenen kühlen, klaren Blick zu, der auch vor der Kamera so gut gewirkt hatte.
Die Klasse richtete sich auf. Es wurde fast vollkommen still. Das war noch nie da gewesen, dachte Olivia erfreut. Nur ein paar Störer redeten weiter, was in der Oberstufe etwa dem Zeigen eines Stinkefingers entsprach.
Cheryl Dennis, Olivias schwarzes Schaf, quatschte am lautesten. Mich kannst du nicht beeindrucken, schien sie ausdrücken zu wollen, während sie sich beiläufig durch die kurzen schwarzen Haare fuhr.
Olivia fixierte die Schülerin, die sie seit so langem quälte und dafür verantwortlich war, dass sie ihren Beruf in Frage stellte. Vor Cheryl war sie eine gute Lehrerin gewesen und hatte niemals die Kontrolle über eine Klasse verloren. Doch gleich vom ersten Tag an, als Cheryl ihr herausfordernd in die Augen geblickt und wie ein temperamentvolles Pferd den unerfahrenen Reiter gespürt hatte, den man aus dem Sattel werfen konnte, war Olivias schulisches Selbstbewusstsein den Bach hinuntergegangen.
Ihre Angst, die Kontrolle zu verlieren, hatte sich auf ihren gesamten Unterricht ausgeweitet. Schließlich betrat sie selbst eine erste Klasse mit einem Kloß im Hals. Sieben Monate hatte sie es ertragen, seitdem Cheryl ›versetzt‹ worden war - gleichbedeutend mit ›von einer anderen Schule verwiesen‹, flüsterte man sich im Lehrerzimmer zu. Das reichte jetzt!
Olivia fixierte ihre Gegnerin und versuchte sich zu erinnern, wie Nancy sie angestarrt hatte. Cheryl war klein und knabenhaft. Sie versuchte ihre Schuluniform so wenig uniform wie nur möglich zu gestalten, indem sie ihren Rock sehr kurz und dazu einen überlangen Pullover trug. Ihr Blick war unnachgiebig und arrogant.
Hier tat Handeln not, entschied Olivia. Wenn sie ein Fernsehstudio mit ihrer Aufführung zum Schweigen bringen konnte, dann konnte sie sicher auch ein Miststück wie Fräulein Dennis zur Raison bringen.
»Ruhe, sagte ich«, wiederholte sie und starrte die Übeltäterin drohend an.
Die Klasse spürte, dass heute etwas anders war, und verstummte völlig. Sogar Cheryl.
Olivia schlenderte so langsam und gemächlich zum hinteren Ende des Klassenzimmers, als ob sie spazieren ginge. Sie sah heute anders aus, sehr cool, wie einige der Mädchen sich selbst widerwillig eingestanden.
»Schicker Anzug«, flüsterte eine der modebewussten Mädchen sehnsüchtig ihrer besten Freundin zu, denn sie erkannte die vorzügliche Schneiderarbeit als das, was sie in den Modezeitschriften ihrer Mütter bewunderten.
Beide wünschten sich von Herzen, so wie Frau MacKenzie auszusehen: schlank und blond und elegant. Schade nur, dass sie
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