Geh Ich Auf Meine Hochzeit
und es bestand durchaus die Gefahr, dass sie jemanden niederstechen würde, der ihr diese Popularität streitig machte.
Olivia versetzte Kevins Arm einen Klaps. »Miststück!«
»Au ja, schlag mich, du Sadistin«, kreischte er in gespieltem Falsett. Beide brachen in Gekicher aus.
»Du gehörst in die Anstalt, weißt du das eigentlich?«, fragte Olivia liebevoll.
»Nicht so dringend wie Nancy!« Er schmunzelte. »Sie liebt es, diese perversen Briefe zu bekommen, denn ihr gefällt die Vorstellung, dass es Leute gibt, die Phantasien über ihre Höschen hegen. Viele kann es allerdings davon nicht geben, denn man bräuchte einen Riesenumschlag, um ihre getragenen Dessous auf dem Postweg...«
Olivia grinste, weil Kevin sich über alles, was die Roberts anging, lustig machte. Er hasste jedes einzelne ihrer stark blondierten, überstrapazierten Haare, und seine Antipathie beruhte auf Gegenseitigkeit. Dank seiner engen Zusammenarbeit mit Olivia stand Kevin leider auf Nancys Abschussliste.
»Das würde ich gerne erleben, dass sie es hinkriegt, mich rauszumobben«, mimte er den starken Mann, nachdem er ein paar Glas zu viel von dem Wein nach der Show getrunken hatte. »Ich würde ihre Haarverlängerungen samt den Wurzeln ausreißen!«
Aber Olivia litt selber auch.
In den vier Monaten, die sie jetzt für die Sendung arbeitete, hatte sich das Verhalten der Moderatorin von Eisschranktemperatur auf die einer Gefriertruhe abgekühlt. Gegenwärtig konnte Olivia sich glücklich schätzen, wenn sie von Nancy mit einem kurzen »Hallo« bei den Produktionsbesprechungen begrüßt wurde. Und wenn Olivia irgendwelche Vorschläge für die Sendung hatte, ließ sich regelmäßig ein abschätziges Schniefen vom anderen Ende des Konferenztisches vernehmen. Doch Nancy war nicht mehr offen aggressiv - hauptsächlich deswegen, weil Olivia aus dem Kampf um die Einschaltquoten siegreich hervorgegangen war. Deshalb hielt auch Linda Byrne fest zu ihr und schützte den neuen Star der Sendung.
Als Nancys stachelige Bemerkungen ihr ein »Bringt uns das wirklich weiter, Nancy?« oder »Wenn es Sie nicht interessiert, möchten Sie dieser Besprechung vielleicht gar nicht beiwohnen?« seitens Lindas eingehandelt hatte, behielt sie ihre giftigen kleinen Kommentare für sich. Allerdings nicht, wenn sie sonst niemand mitbekam.
»Changierende Stoffe wirken auf dem Bildschirm ausgesprochen ordinär«, würde Nancy kurz vor dem Einsatz der Kameras zischen, wenn die beiden Frauen Seite an Seite hinter der Fernsehküchenzeile stehen mussten.
»Tatsächlich?«, würde Olivia erwidern, dann mit ihrer schimmernden aquamarinblauen Bluse ruhig in die Kamera lächeln und mit ihrem Text beginnen. Nancy konnte ihr nichts anhaben. Nachdem sie jahrelang die am Selbstbewusstsein nagenden und ätzenden Kommentare Stephens hatte ertragen müssen, perlten die kindisch nörgelnden Bemerkungen einer aufgeblasenen Fernsehmoderatorin an ihr ab wie Wasser vom Gefieder einer Ente. Mit Nancys Eifersucht kam sie zurecht. Einigermaßen jedenfalls. Denn da sie ihren Lehrberuf für ein Jahr ruhen ließ, musste sie sie auf alle Fälle schlucken!
Jetzt schnitt sie mit ihrem lebensgefährlich wirkenden silbernen Filigranbrieföffner, den Max ihr geschenkt hatte, einen weiteren Umschlag auf. »Falls du einmal Gefahr läufst, hinterrücks mit einem Messer bedroht zu werden und dich wehren musst«, hatte er schmunzelnd in dem beiliegenden Brief bemerkt.
Was die Fernsehwelt betraf, wusste er, wovon er sprach, dachte Olivia jedes Mal, wenn sie sein Geschenk einsetzte.
Sie hatte zwanzig Briefe geöffnet und sich Notizen in ihr mit einem Bild von Klimt dekoriertes Notizbuch gemacht, als Linda sich blicken ließ.
»Gut, dass du hier bist. Ich dachte schon, du wärst nach der Aufzeichnung nach Hause gegangen.«
»Meine Tochter ist heute zu einer Geburtstagsparty eingeladen. Da ich beim letzten Mal Dienst in der Hüpfburg hatte, bin ich heute davon befreit«, erläuterte Olivia.
Linda, als berufstätige Mutter dreier Kinder bestens mit dem Thema Kindererziehung vertraut, nickte zustimmend. »Dann hättest du also Zeit zum Mittagessen?«
»Aber sicher.«
Mittagessen fand in der Kantine statt, einem verglasten Raum, in dem nur wenige der Angestellten nach der Nahrungsaufnahme noch länger verweilten. Olivia wählte ein Vollkornkebab mit Thunfisch und der Abwechslung halber einen Hagebuttentee. Sie hatte gerade den Teebeutel herausgefischt, als Linda ihr Tablett auf den Tisch stellte. Der
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