Geh Ich Auf Meine Hochzeit
flutartigen Regenfälle hatten auch den hartnäckigsten aller Dorfbewohner vertrieben.
Sie fuhren den Berg an den hübschen Reihenhäusern hinunter, die sich gegenüber der Kneipe und der Fleischerei befanden. Dann über die Steinbrücke an der Schule vorbei und wieder den Berg hinauf, wo das Haus hinter imposanten Steinpfosten stand, daneben eine einsame Eiche.
Olivias Daheim war wunderschön, wenn auch vollkommen heruntergekommen. Das mittelgroße Gebäude zierte eine ausgewachsene Buchsbaumhecke, und das Haus selbst stellte fast die genaue Kopie eines sehr großen Anwesens, das einst etwas weiter oben an der Allee gestanden hatte, dar.
Das Haupthaus existierte längst nicht mehr, heute standen nagelneue Nachkömmlinge im Tudorstil an seiner Stelle. Olivias Eltern waren die Neubauten verhasst, ihrer Meinung nach ruinierten deren Bewohner die ganze Gegend.
Olivia blickte auf das sich türmende Laub, das die Auffahrt blockierte, dann auf die losen Dachziegel, die jeden Augenblick herunterzufallen drohten und dachte, dass, wer im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen schmeißen sollte.
»Sind wir jetzt da?«, nuschelte Sasha, setzte sich auf und rieb sich schläfrig die Augen, als sie das Geräusch der einrastenden Handbremse vernahm.
»Ja, mein Liebling, wir sind da«, wandte sich Olivia ihr zu. »Es ist ganz nass, da müssen wir dir deinen Regenmantel anziehen und den Hut aufsetzen.«
Sie ignorierte Stephen, dessen Miene der eines französischen Aristokraten ähnelte, welcher zum ersten Mal eine Guillotine sah. Während sie vorsichtig Sashas seidiges Haar unter den flauschigen braunen Hut schob, redete sie leise auf sie ein. Sasha war nach dem Aufwachen immer ein wenig verdrossen und musste liebevoll behandelt werden.
»Wir werden jetzt zu Oma und Opa reingehen, und sie haben jede Menge wunderschöner Weihnachtsgeschenke für dich.« Hoffe ich jedenfalls, dachte sie im Stillen, denn sie wusste nur zu gut, wie oft ihre Eltern solche Dinge vergaßen. »Und ich weiß, dass der Weihnachtsmann auch noch mit Überraschungen vorbeischaut, weil du ein so liebes kleines Mädchen bist...«
»Seid ihr so weit?«, unterbrach Stephen sie scharf.
»Ja.«
Sie rannten zur Eingangstür, Olivia hielt Sashas Hand und versuchte gleichzeitig, sich ihren eigenen Regenhut überzustülpen.
Erstaunlicherweise hatte ihre Mutter sie vom Fenster aus entdeckt und riss die Tür auf, als sie dort anlangten.
»Meine Lieben«, krächzte Sybil de Vere mit einer Stimme, die Zeugnis von ihren vierzig Zigaretten am Tag ablegte. Eine magere, weißhaarige Erscheinung in einem langen Tweedrock, einem Pullover und einer von Motten zerfressenen Stola um die Schultern winkte sie in den düsteren Flur, während sie in der einen Hand eine rauchende Kippe hielt.
»Kommt herein. Und entschuldigt die Kälte. Die Heizung funktioniert nicht. Das verdammte Ding hat gestern schlapp gemacht, und wir können niemanden auftreiben, der es repariert.«
Olivia musste ihren Mann nicht erst ansehen, um zu wissen, dass sein Gesichtsausdruck mittlerweile demjenigen eines Aristokraten glich, der unter einer Guillotine lag und den Trommelwirbel vernahm.
Immer noch Sashas Hand haltend betrat sie den Flur, wo sie von einem eisigen Luftzug begrüßt wurde. In der Kälte mischten sich die Düfte von Katzenurin, Mottenkugeln und ungelüfteten Räumen. Na wunderbar, wenn sie nicht gleich an Lungenentzündung sterben würde, würde Stephen sie vor Wut abmurksen. Was für ein fröhliches Weihnachten!
3
Cara öffnete ein verklebtes grünbraunes Auge und starrte auf den Wecker. Erst fünf vor acht. Gut so. Sie streckte einen Arm unter ihrer blaugestreiften Bettdecke hervor, schlug damit auf die Wiederholungstaste, rollte sich herum und schlief wieder ein.
Neun Minuten später rasselte der Wecker erneut. Sein schrilles Geklingel riss sie aus einem Traum mit einem Monster, einem riesigen Tennisschläger und ihrem Chef Bernard. Cara stand auf dem Seitenstreifen einer Autobahn und holte mit dem Tennisschläger aus, mit dem sie Bernard in die Nähe des Monsters manövrierte. Es lediglich als befriedigend zu bezeichnen, hieße zu untertreiben. Warum musste man immer just an der besten Stelle eines Traums aufwachen? Diese Frage stellte sich Cara, als sie sich auf den Rücken warf, sich eine wirre schwarze Haarsträhne aus der Stirn strich und sich an die Vorstellung gewöhnte, gleich aufstehen zu müssen.
Letzte Woche erst war sie gegen fünf Uhr früh kurz vor einem
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