Geh Ich Auf Meine Hochzeit
Gefrierpunkt.
Sie gehörten zu den letzten Gästen. Durch einen Bogen hindurch konnte Olivia vom Flur aus Evie neben ihrem Vater stehen sehen. Ihr sonst so hübsches Gesicht war wie versteinert. Eine Frau in einem eleganten rosa Kleid aus Cashmerewolle stand auf der anderen Seite neben Andrew Fraser. Aus seinem Lächeln und der Art zu schließen, wie er liebevoll ihren Arm streichelte, hatte Olivia keine Schwierigkeiten, die »schreckliche Amerikanerin« zu identifizieren.
»Bilde ich es mir nur ein oder ist hier wirklich keine richtige Partystimmung?«, brummte Stephen, als Rosie ihnen verkrampft lächelnd ihre Mäntel abnahm.
»Willkommen im Haus des Schmerzes, Tante Olivia«, bemerkte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Zur Auswahl heute Abend stehen Schierling-Cocktail, Fingerhut-Slammer oder aber Zyankali-Seabreeze, die meine Mutter gerne für euch mixt.«
»Die Freundin deines Großvaters, nicht wahr?«, fragte Olivia und betrachtete die elegante Dame in Rosa.
Rosie verdrehte die Augen gen Himmel. »Neuigkeiten verbreiten sich hier wirklich in Windeseile. Ich verstehe gar nicht, weshalb sich die Nachrichtenagenturen in New York oder London niederlassen. Sie sollten sich lieber für Ballymoreen entscheiden - jeder weiß hier alles längst in dem Augenblick, wenn es passiert.« Bedrückt sah sie zu ihrer Patentante auf. »Die Bekanntmachung der Verlobten meines Großvaters hat ein Erdbeben ausgelöst. 8,5 auf der Richterskala, würde ich mal schätzen.«
»Verlobte?« Olivia atmete tief durch. »Sie wollen heiraten? Ich wusste noch nicht einmal, dass er ein Verhältnis hat.«
»Ich hole mir mal etwas zu Essen«, unterbrach Stephen sie unfreundlich und entfernte sich in Richtung Küche. Olivia unterdrückte ihren Unmut. Zu Hause hatte er ihre Angebote für einen kleinen Imbiss abgelehnt, und jetzt würde er das Buffet abräumen, als ob er seit einem Monat nichts mehr zu essen bekommen hätte. Er bestrafte sie immer noch für vorhin.
»Sprich nur nicht davon«, stöhnte Rosie. Jetzt, wo sie alleine waren, entspannte sie sich sichtbar. In Stephens Gegenwart war sie immer leicht nervös, obwohl Olivia den Grund dafür nicht herausfinden konnte. Er mochte Rosie, fand sie intelligent und sah eine große Zukunft für sie voraus.
Das Mädchen lehnte an der Heizung im Flur. »Wir haben es auch eben erst erfahren. Mama wusste nichts von einer Freundin, bevor wir heute hier angekommen sind. Jedenfalls ist Vida wunderbar und Opa ganz verrückt nach ihr. Eigentlich finde ich es richtig süß«, meinte Rosie nachdenklich, »dass alte Leute sich noch so verlieben können.«
»Entschuldige bitte!« Olivia zog zärtlich eine der üppigen Lockensträhnen in gespielter Wut auseinander. »Er ist noch lange nicht alt. Und glaube bloß nicht, dass man die Liebe einfach vergisst, wenn man die Vierzig überschritten hat.«
Rosie grinste. »Ich mache ja nur ein Späßchen. Ihr Älteren seid immer so empfindlich, was euer Alter betrifft. Wie dem auch sei, sie heißt Vida Andersen, ist très chic, hat jahrelang in Manhattan gelebt und verfügt über jede Menge Kies. Gerade lässt sie den großen Gutshof etwas weiter die Straße hoch renovieren. Draußen vor der Tür steht ihre Luxuslimousine. Großvater kann nicht anders, er muss sie ständig anlächeln. Die Hunde lieben sie auch, und...«
»... und deine Mutter kann sie nicht ausstehen!«, beendete Olivia ihren Satz.
»Du sagst es.« Rosie schwieg. »Kommt, ich hole euch ein paar Drinks, ehe ihr euch in die Gladiatorenarena begebt.«
In der Küche hatte sich Stephen unter dem gierigen Blick der beiden Hunde über eine Schüssel Chilichips hergemacht.
»Die würden euch nicht schmecken, ihr Süßen, die sind zu scharf«, meinte Rosie und streichelte die beiden Hunde. »Wie wäre es mit einem Drink?«, wandte sie sich an Stephen.
»Ein Glas Rotwein«, bestellte er.
»Für mich bitte auch«, schloss Olivia sich an.
Rosie holte Gläser und schenkte ein. Dann stellte sie sich so vor das Tablett, dass niemand es sehen konnte, und genehmigte sich einen ordentlichen Wodka, den sie bis zum Rand mit Orangensaft auffüllte.
»Deine Eltern kommen demnach nicht?«, wandte sie sich an Olivia, als alle mit Getränken versorgt waren.
Rosie mochte Olivias Eltern. Sie boten ihr immer richtigen Alkohol an, wenn sie sie besuchte, und spendierten ihr Zigaretten. Sybil fand sie besonders amüsant. Eine richtig zähe alte Dame!
»Nein«, erwiderte Olivia. »Sie passen auf Sasha auf.« So
Weitere Kostenlose Bücher