Geh Ich Auf Meine Hochzeit
Mutters Küche und in Evies Mutters Bett breit zu machen?
»Bist du fertig, Mama?« Rosie steckte ihren Kopf durch die Tür.
»Ah... ja«, stammelte sie. Mechanisch knöpfte sie ihre weiße Bluse auf und streifte sich die bequemen Jeans ab. Sie holte ein Paar Strümpfe aus der Schublade, dazu einen schwarzen Büstenhalter, der zu ihrem Kleid passte. Dann zog sie sich an, klemmte sich ihren Waschbeutel unter den Arm und ging ins Bad. Alle Oberflächen hatten eine Reinigung dringend nötig, fiel ihr sofort auf, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Ihr Vater war noch nie besonders erfolgreich gewesen, all den Schimmel abzubürsten, der sich in dem alten Haus gerne bildete. Und die liebe Vida wollte sich offenbar die perfekt manikürten Fingernägel nicht dreckig machen, dachte sie zickig.
Sie drehte den alten Rasierspiegel ihres Vaters um und betrachtete ein Gesicht, das dem ihrer Mutter so sehr ähnelte. Beide besaßen sie den gleichen offenen Blick, die gleichen runden Wangen mit Grübchen und die gleichen warmen braunen Augen sowie leicht nach oben weisende Nasen.
Diese Frau hatte mit ihrer Mutter nicht die geringste Ähnlichkeit. Sie war an jenen Stellen mager, an denen Evies Mutter sanfte Rundungen gezeigt hatte. Vida Andersen war kühl und ganz auf sich selbst gestellt, wogegen Alice Fraser sich ganz und gar der Familie gewidmet hatte.
Unglücklich hockte Evie auf dem Badewannenrand. Als sie die Schritte zweier Menschen auf der engen Treppe hörte, erstarrte sie.
Die Tür zum Zimmer ihres Vaters wurde lautstark geschlossen, und durch die dünnen Wände drang nun Vidas Stimme.
»Du hättest es ihr doch schon vorher sagen müssen, Andrew! Es ist nicht richtig, der Armen einen solchen Schock zu versetzen. Wenn sie bereits von mir gewusst hätte, hätte sie sich mit dem Gedanken anfreunden können und wäre nicht so überrumpelt worden.«
Die Antwort ihres Vaters konnte Evie nicht hören. Er kannte die Durchlässigkeit des Hauses und wusste, dass man vom Bad aus leicht eine Unterhaltung mitverfolgen konnte.
Als ihre Mutter nach einem halben Jahr den Kampf gegen den Krebs verloren hatte, hatte Evie hier im Bad gesessen und ihren Vater in seinem Schlafzimmer weinen hören. Er hatte niemals vor ihr oder vor Cara geweint und schien es als unpassend zu empfinden, wenn sie mitbekamen, wie sehr ihm der Tod seiner Frau zusetzte.
Evie war damals fast siebzehn Jahre alt gewesen. Wochenlang hatte sie ihm zugehört, ehe sie ihn anflehte, er solle doch lieber mit ihnen zusammen und nicht für sich alleine weinen. Sie war sein Fels in der Brandung gewesen, wie Andrew Fraser es im Nachhinein zu formulieren pflegte. Seine Tochter hatte die Familie zusammengehalten!
Sie erinnerte sich daran, wie später ihr Vater sie getröstet hatte, nachdem Tony von dem zu schnell fahrenden Auto getötet worden war. Wie sie mit Goochs Großmutter, Sadie, lange Spaziergänge im Wald unternommen hatten. Der Hund war fröhlich vor ihnen hergeprescht und hatte seine helle Nase in jeden Busch und jedes Grasbüschel gesteckt. Andrew war ihr in jenen schrecklichen ersten Monaten ihrer allzu frühen Witwenschaft eine Art Lebensretter gewesen. Und jetzt sollte jemand all das beiseite schieben: Vida Andersen. Evie hätte nicht sagen können, was mehr schmerzte - die Tatsache, dass er es ihr nicht erzählt hatte, oder aber dass eine Fremde in ihre einstige Vierer-Traulichkeit einbrach.
Zärtlich streichelte Olivia Sashas Wange, zog die Daunendecke bis zum Hals des Kindes hoch, dann steckte sie das Plumeau fest, das sie in der Kammer gefunden hatte. Im Zimmer war es immer noch kühl obwohl in einer Ecke ein Ölofen vor sich hin bullerte. Sasha schmiegte sich im Schlaf in ihren gemütlichen kleinen Kokon. Sie war in ihrem Pyjama und den Rupert-Bear-Socken, auf deren Tragen Olivia bestanden hatte, bestens verpackt.
Von dem anstrengenden Tag erschöpft, schlief Sasha auf der Stelle wie ein Murmeltier. Olivia hätte sich gerne neben sie gelegt, denn aufgrund des frühen Aufstehens wegen der Weihnachtsvorbereitungen war sie auch müde. Sie küsste ihre Tochter und verließ das Zimmer, ließ jedoch die Tür angelehnt, damit das Licht vom Flur hineindringen konnte. Olivia ließ ihre Tochter in dem kleinen Bett und dem riesigen Raum nur äußerst ungern allein zurück. Sasha war helle, gelbe Tapeten mit herumspringenden Häschen gewohnt, und auf dem Nachttisch ihre Lampe, falls sie aufwachte und Angst bekam. Diese vier Wände waren dunkel
Weitere Kostenlose Bücher