Geheimakte: Das Vermächtnis von Nummer Sechs - das Erbe von Lorien
nur annehmen kann, dass ihr Mann bei der mogadorischen Invasion getötet wurde.
Es bricht mir das Herz.
»Und seitdem wir auf der Erde sind?«, wechsele ich also das Thema.
Wieder lacht sie. »Du warst die ganze Zeit mit mir zusammen. Du müsstest es wissen!«
Ich lache ebenfalls, auch wenn mein Lachen mit einem Gefühl von Traurigkeit durchsetzt ist. Selbst wenn Katarina es wollte, könnte sie keinen Freund haben – und das alles wegen mir. Weil sie viel zu sehr damit beschäftigt ist,
mich
zu beschützen.
Sie zieht eine Augenbraue hoch. »Woher kommen plötzlich die ganzen Fragen? Hast du irgendeinen süßen Typen auf dem Fußballplatz gesehen?« Sie beugt sich zu mir herüber, kneift mich in die Seite und kitzelt mich.
Lachend weiche ich ihr aus. »Nein«, sage ich. Und das entspricht der Wahrheit. Zwar beobachte ich die Jungs manchmal, wenn sie auf dem Platz trainieren, aber hauptsächlich nur, um ihren Körperbau und ihre Reflexe zu studieren und sie mit meinen zu vergleichen. Ich denke nicht, dass ich jemals einen von ihnen
mögen
könnte. Ich glaube nicht, dass ich jemanden lieben könnte, der sich nicht in demselben Kampf wie ich befindet. Ich |42| könnte niemanden respektieren, der nicht ein Teil des Krieges gegen die Mogadori wäre, dem es nicht um die Rettung Loriens ginge.
Auf dem Bildschirm steht die Frau jetzt im Regen. Tränen laufen über ihr Gesicht. Sie sagt dem gut aussehenden Mann, dass sie ihre Meinung geändert hat und letzten Endes nur die Liebe wichtig ist.
»Katarina?«, frage ich. Sie dreht sich zu mir. Ich muss es nicht einmal aussprechen. Sie kennt mich viel zu gut.
Sie zappt durch die Kanäle, bis wir einen Actionfilm finden. Wir sehen ihn an, bis wir schließlich beide einschlafen.
|43| 11
Nach Training und Unterricht gehe ich am nächsten Tag wieder zur Apfelplantage. Trotz der heißen Sonne ist die Luft heute angenehm und trocken, nicht zu warm und nicht zu kalt. Ich laufe von einem schattigen Baum zum anderen, trete auf weiche, süß-faulig riechende Äpfel und spüre, wie sie unter meinen Füßen zu Brei werden. Ich fühle mich eigenartig glücklich und voller Hoffnung, während ich so durch die Gegend strolche.
Katarina wird uns heute Flugtickets nach Australien buchen. Sie glaubt, das Land ist als Versteck für uns so gut wie jedes andere. Ich freue mich auf die Reise.
Als ich mich gerade umdrehe, um zum Motel zurückzugehen, kommt hinter mir ein Fußball angerollt und hüpft über ein paar heruntergefallene Äpfel. Ohne nachzudenken, mache ich einen Satz nach vorn und stoppe den Ball mit einem Fuß.
»Gibst du ihn mir zurück oder was?«
Überrascht drehe ich mich um. Vom Rande der Plantage starrt mich ein hübsches Mädchen mit kastanienbraunem Pferdeschwanz an. Es trägt Fußballklamotten und lässt eine Kaugummiblase platzen.
Ich hebe den Fuß vom Ball, wirbele um ihn herum und versetze ihm einen kurzen harten Tritt in Richtung des Mädchens. Ich habe mehr Kraft als nötig eingesetzt, denn als das Mädchen den Ball mit den Händen auffängt, haut die Wucht des Aufpralls es fast um. »He, locker bleiben!«, ruft es.
»Tut mir leid«, sage ich und schäme mich sofort ein bisschen.
»Aber ’n guter Pass.« Das Mädchen mustert mich. »Verdammt guter Pass.«
|44| Wenige Augenblicke später bin ich auf dem Spielfeld. Dem Mädchenteam fehlt eine Spielerin und das Kaugummi kauende Mädchen, Tyra, hat die Trainerin irgendwie überredet, mich stattdessen spielen zu lassen.
Ich kenne die Fußballregeln nicht, werde sie aber in kürzester Zeit kapieren. Ich habe es Katarina zu verdanken, dass mein Gehirn daran gewöhnt ist, Regeln und Vorschriften schnell zu verarbeiten.
Die Trainerin, eine missmutige, kompakte Frau mit einer Trillerpfeife zwischen den Lippen, setzt mich als Verteidigerin ein und schnell entwickle ich mich zu einer wichtigen Figur auf dem Spielfeld. Die anderen Mädchen meiner Mannschaft finden bald den Anschluss und bilden in kürzester Zeit eine Mauer, die die gegnerischen Spielerinnen zwingt, auf der rechten Seite des Spielfelds an mir vorbeizustürmen.
Kein einziges Mädchen der anderen Mannschaft schafft es, ohne Ballverlust vorwärts zu kommen.
Nach kürzester Zeit bin ich schweißüberströmt. Dicke Grasbüschel kleben an meinen Waden – glücklicherweise habe ich heute lange Socken angezogen, sodass niemand meine Narben entdeckt. Angesichts der strahlenden Sonne und der aufmunternden Rufe meiner Teamkameradinnen überkommt mich ein
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