Geheimakte: Das Vermächtnis von Nummer Sechs - das Erbe von Lorien
Laderaums hereindringt, ist es stockdunkel. Nur ab und zu erhellt ein winziger Fetzen Sonnenlicht unser Versteck. Während ich in der feuchten, kühlen |48| Dunkelheit dasitze, kommt es mir seltsam vor, dass da draußen ein ganz normaler Tag abläuft.
Durch die unbequeme Sitzposition, die an Schlafen erst gar nicht denken lässt, tut mir mittlerweile alles weh. In meinem erschöpften, ans Delirium grenzenden Zustand kommt mir der absurde Gedanke, dass ich bei den Mädchen auf dem Fußballplatz hätte bleiben sollen. Zumindest so lange, dass ich etwas von der Limonade hätte trinken können, die mir die Trainerin angeboten hat.
Plötzlich höre ich ein Geräusch. Ein tiefes, kehliges Knurren.
Am vorderen Ende des Laderaums ist ein Käfig angebracht. In der Dunkelheit kann ich die dicken stählernen Gitterstäbe gerade noch erahnen.
»Was war das?«, frage ich Katarina. Sie murmelt irgendetwas durch ihren Knebel hindurch. Sofort tut es mir leid, dass ich ihr eine Frage gestellt habe, deren Beantwortung ihr völlig unmöglich ist.
So weit es geht, beuge ich mich vor und ziehe Katarina mit mir. Ich höre sie protestieren, aber meine Neugier treibt mich weiter. Ich strecke mich weit in die Dunkelheit hinein und bringe mein Gesicht so nah wie möglich an die Gitterstäbe.
Plötzlich ertönt wieder ein Geräusch.
Noch ein Gefangener?,
frage ich mich. Oder irgendein Tier?
Mich überkommt Mitleid.
»Hallo?«, rufe ich in die Leere hinein. Die Person oder Kreatur gibt ein verzweifeltes Jammern von sich. »Alles in Ordnung?«
Völlig überraschend schnappen plötzlich ein paar blitzende Zähne nach den Gitterstäben und faustgroße Augen glühen in der Dunkelheit rot auf. Der Atem dieses Tiers lässt mir die Haare zu Berge stehen. Angeekelt und erschrocken weiche ich zurück. Der Gestank ist so übel, dass ich fast würgen muss.
Ich versuche, noch weiter abzurücken, aber dieses riesige und offenbar sehr hungrige Biest hält seinen Kopf an die Gitterstäbe gepresst und fixiert mich mit seinen roten Augen. So viel ist klar, wenn die Stäbe nicht wären, dann wäre ich jetzt schon tot.
|49| Und noch etwas ist sicher: Dieses Biest ist kein Gefangener. Kein Verbündeter von uns, der den Mogadori ins Netz gegangen ist. Nein, dieses Vieh ist ein Piken. Katarina hat mir von diesen wilden, von der Jagd besessenen Begleitern der Mogs bereits erzählt, aber ich hatte sie für Märchenfiguren gehalten.
Katarina hilft mir, so weit wie möglich in den hinteren Teil des Laderaums zu gelangen, um möglichst viel Entfernung zwischen uns und dieser Kreatur zu schaffen. Als wir mühsam vom Käfig wegrutschen, zieht sich auch der Piken zurück in die Dunkelheit seiner Behausung.
Für den Moment sind wir sicher. Dennoch weiß ich, dass dieses Tier, diese widerliche und angsteinflößende Kreatur, in den nächsten Tagen und Wochen womöglich auf mich gehetzt wird. Vor lauter Furcht und hilfloser Wut dreht sich mir der Magen um. Ich weiß nicht, ob ich mich übergeben oder in Ohnmacht fallen soll. Oder vielleicht beides.
Ich drücke meinen verschwitzten Kopf an Katarinas und wünschte, dieser Albtraum wäre vorüber.
Nachdem ich in einen unruhigen Halbschlaf gefallen bin, werde ich plötzlich von Katarinas Stimme geweckt. »Sechs! Wach auf! Sechs!«
Schlagartig bin ich wach. »Wo ist dein Knebel?«, frage ich.
»Ich habe ihn rausbekommen. Es hat bis jetzt gerade gedauert.«
»Oh«, erwidere ich einfältig. Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll, welchen Sinn es überhaupt hat, zu sprechen. Wir sind gefangen und völlig hilflos.
»Sie haben unseren Wagen verwanzt. Als wir in Texas waren. So konnten sie uns finden.«
Wie idiotisch von uns,
denke ich.
Wie gedankenlos.
»Ich hätte daran denken müssen«, scheint sie meine Gedanken zu lesen. »Aber das ist jetzt egal. Du musst dich auf das vorbereiten, was noch auf uns zukommt.«
Was soll das sein?
, denke ich.
Der Tod?
»Sie werden dich foltern, um an Informationen zu kommen. |50| Sie werden …« Katarina fängt an zu schluchzen, reißt sich aber schnell wieder zusammen. »Sie werden dich unvorstellbaren Qualen aussetzen. Aber du musst sie ertragen.«
»Das werde ich«, sage ich mit fester Stimme.
»Sie werden mich benutzen, um dich weichzukochen. Das darf nicht passieren … unter keinen Umständen …«
Mein Herz wird zu einem Klumpen Eis. Sie werden Katarina vor meinen Augen töten, wenn sie glauben, mich dadurch zum Reden zu bringen.
»Versprich es mir, Sechs.
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