Geheimakte Proteus
ein Detektiv in einem alten Vid gesagt hatte. »Das Einzige, was sie anhatte, war das Licht.« Die hier trug auch noch ein Paar spitze, schwarze Stiefel.
»Ich soll mich hier heute Morgen mit ein paar Leuten treffen. Mit Ihnen, vermute ich.«
Der rothaarige Mann hielt ein Taschenholo neben Tristans Gesicht, verglich, was er sah, und nickte dann. »Sie vermuten richtig.« Er drehte sich um und deutete auf die Frau. »Und das ist Ihr Datameister. Sie heißt Lani Rouge.«
»Konzentrat?«, sagte Tristan und ging an ihm vorbei.
Der Mann reichte ihm eine Flasche. Tristan ließ die Nährstoffe in seinen Mund fließen, während er auf den Datameister zuging. Ein weiblicher Datameister – das bedeutete, dass er auch bald weiblich sein würde.
Sie starrte ihn mit geweiteten Augen an und presste sich gegen die Stuhllehne, als wäre er ein scheußlicher Dämon, der sie gleich lebendig auffressen würde. Offensichtlich hatte sie bereits erkannt, dass sie den Vormittag nicht überleben würde.
Schade. Sie war schön, mit dunklem Haar, blaugrünen Augen und perfekter Haut. Da war nichts modisch Reptilisches. Bloß gute, traditionelle, menschliche Schönheit. Wie in den alten Vids.
Jammerschade, dass sie Datameister sein musste – der Datameister, den sie brauchten. Die besondere Eigenschaft ihres Gehirns, die es möglich machte, es als lebendes Datenterminal zu benutzen, bedeutete in ihrem Falle ein vorzeitiges Ende. Heute.
Aber der Anblick ihrer Brüste, ihrer nackten Schenkel … er spürte die Erregung in sich aufsteigen.
Und dann bemerkte er eine angeschwollene Stelle an ihrer linken Wange, die in dem grellen Licht rot leuchtete. Und die Tränen, die auf beiden Wangen glitzerten.
Plötzlich war er zornig. Die hatten sie fangen, sie für ihn festhalten sollen … und sie beseitigen, nachdem er sich das von ihr genommen hatte, was er brauchte. Aber sie hatten sie nicht misshandeln sollen. Zur Hölle mit ihnen, sie hatten nicht das Recht -
Halt, was sollte das alles? Sie war ein Datameister von Flagge – zwar nicht an den Kampfhandlungen beteiligt, aber sie arbeitete für den Feind und würde in Kürze ein Opfer des Krieges werden. So etwas passierte jeden Tag.
Er schüttelte seine Empörung ab. Er konnte es gar nicht erwarten, diese Masque abzulegen – sie wimmelte förmlich von Rückständen.
»Sie wissen, was Sie mit ihr zu machen haben?«, fragte ein untersetzter Mann.
Tristan nickte und starrte die Frau immer noch an. Er konnte seine Augen einfach nicht von ihr losreißen. Sie kam ihm ungewöhnlich schön vor.
Der Mann grinste. »Gut, sonst müssten wir Sie nämlich beide töten.«
Die beiden anderen lachten und ließen damit die Hackordnung erkennen. Der untersetzte Typ, der gerade den Witz gemacht hatte, war also der Anführer, und die beiden anderen waren bezahlte Schläger. Vermutlich würde Cyrill sie alle drei töten lassen, wenn dieser Einsatz vorbei war.
Tristans Blick wanderte wieder zu der Frau zurück. Er trat einen Schritt näher an sie heran. Sie sah so aus, als ob sie unbedingt etwas sagen wollte, aber sie wurde von einem Knebel in ihrem Mund daran gehindert.
»Ich bin Casaluggi«, sagte der untersetzte Anführer der drei, »und wie versprochen hat dieser Datameister nicht nur Zugang zur Zitadelle, sondern sogar eine Freigabe, bis in das Herz des Datenzentrums von Flagge hinein.«
Ein weiterer Schritt. »Es sieht so aus, als ob Sie sie geschlagen hätten.«
Casaluggi lachte. »Das war Harkis.«
»Sie hat mich getreten«, sagte einer der Männer. »In den -«
»Sie haben also eine gefesselte Frau geschlagen?« Tristan drehte sich um und musterte Casaluggi durchdringend. »War das Teil Ihrer Einsatzspezifikation?«
»Nein, aber wir sind ein wenig nervös geworden. Ich meine, Sie haben sich verspätet, und die hat nach jedem getreten, der in ihre Nähe kam.«
Tristan nickte und schwieg.
Der Anführer fuhr fort: »Sie haben sich nämlich verspätet, das wissen Sie doch.«
Richtig. Und jede Minute war wichtig. Dieser Einsatz war wichtig. Selbstheit, Freiheit, all das war wichtig.
Aber die Augen der Frau ließen ihn nicht los.
»Machen wir weiter«, sagte Tristan.
Er trat näher an diesen Datameister heran, diese Lani Rouge. Sie starrte ihn an, als ob er der Tod selbst wäre. Und dann zuckte ihr Fuß vor, verfehlte ihn um Haaresbreite.
Casaluggi hob die Hand, um sie erneut zu schlagen, aber Tristan packte sein Handgelenk und drückte zu. Casaluggi zuckte zusammen.
»Noch ein Schlag,
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