Geheimauftrag: Liebe
gewesen, fast erschreckt, dass ausgerechnet er so viel von sich preisgab. Dieser erste Moment hatte sie entsetzt und verunsichert. Jetzt hingegen … Sie musste und wollte mehr erfahren, die Verbindung erkunden und herausfinden, wohin sie führte – lernen, was sie bedeutete.
Er begehrte sie nicht nur rein körperlich, denn sie hatte seine tiefe Sehnsucht gespürt.
Solche Gefühle konnte man nicht vortäuschen, selbst Charles nicht. Das hatte er eigentlich ohnehin nie getan, nicht soweit sie sich erinnerte und zumindest nicht bei ihr. Er war lediglich ein Meister darin, etwas zu verbergen, und nicht umsonst hatte er als Spion überleben können. Während sie sich also sicher war, dass er sie ehrlich brauchte, vermochte sie jedoch nicht zu erkennen, was seinen Sinneswandel herbeigeführt hatte.
Mit Sicherheit war es damals anders gewesen: Er hatte sie weder gebraucht noch gewollt, wenigstens nicht so wie jetzt. Offensichtlich hatten die Jahre ihn verändert und alles Oberflächliche zum Verschwinden gebracht. Jetzt war er ein vielschichtiger Mann mit intensiven und mächtigen Gefühlen sowie verborgenen Tiefen. Aber was war es, das ihn zu ihr zurückgeführt hatte?
Ihre Gedanken drehten sich weiter um diese Frage, beleuchteten sie aus jedem nur denkbaren Winkel, bis der Schlaf sie überwältigte.
Am nächsten Morgen blieb Nicholas im Bett, um auf den Besuch des Arztes zu warten, den Penny trotz seines Protests herbestellt hatte, damit er sich die Wunden anschaute. Als Nicholas sich Hilfe suchend an Charles wandte, quasi von Mann zu Mann, erwiderte Charles seinen Blick ungerührt und weigerte sich, Penny zu widersprechen. Wenn es ihr lieber war, dass der Arzt kam, dann würde es so gemacht.
Während sie den Vormittag über warteten und darauf hofften, dass Nicholas sein Schweigen noch vor dem Abend brechen würde, setzte Charles diverse Briefe auf. Der erste war für Dalziel, und er schickte ihn gleich mit einem reitenden Boten los. Der zweite ging an Culver, den er in seiner Eigenschaft als Friedensrichter über den neuerlichen Vorfall in Kenntnis setzen musste. Charles sah ihn vor sich, wie er bedauernd mit der Zunge schnalzen und sich dann wieder in seinen Büchern vergraben würde. Culver war leicht zu durchschauen – ganz im Gegensatz zu anderen, dachte Charles.
Nachdem die Briefe auf den Weg gebracht waren, gab es herzlich wenig für ihn zu tun. Der Arzt kam und ging wieder, nachdem er ernst erklärt hatte, wie glücklich Nicholas sich schätzen könne, dass keiner der beiden Messerstiche ein lebenswichtiges Organ verletzt habe. Er hatte Salben und Verbände begutachtet und als geeignet befunden, Nicholas noch dringend Ruhe angeraten – das sei alles, was er zur Gesundung brauche – und sich verabschiedet.
Charles Unruhe wuchs, und ziellos streifte er durchs Haus, denn Penny war noch mit Mrs. Figgs beschäftigt. Er schlenderte erst durch die Bibliothek, in der die Trümmer und Scherben beseitigt worden waren, dann durchs gesamte Erdgeschoss, wurde dabei immer rastloser und gereizter. Er kannte diese Kombination – es waren die vertrauten Empfindungen vor einem Kampf. Geduld war noch nie eine seiner Stärken gewesen.
Es würde nicht heute passieren, weil alle im Haus auf der Hut, gewarnt und wachsam waren. Gestern hatte der französische Agent – und Charles war sich mittlerweile sicher, ihn so bezeichnen zu können – vielleicht geglaubt, er könne sie überraschen, doch heute würde er sich nicht blicken lassen. Bald ja, aber nicht jetzt. Er würde warten, bis sie in ihrer Wachsamkeit nachließen, wenigstens ein bisschen.
Um sich die Zeit zu vertreiben, lief er durch das Gebüsch, überprüfte den Fluchtweg des Schurken. Es war die richtige Entscheidung gewesen, dem Mann nicht im Dunkel der Nacht zu folgen. Die Büsche und Sträucher waren alt, und die Zweige bildeten ein dichtes Geflecht. Ein Kinderspiel für jeden, um seinen Verfolgern zu entwischen und ungesehen zum Haus zurückzukehren.
Als er wieder aus den Büschen trat, entdeckte er Penny auf der Terrasse. Sie sah ihn und winkte, kam die Stufen herunter auf ihn zu.
Sie trafen sich in der Mitte der Rasenfläche; lächelnd hakte sie sich bei ihm unter und ging neben ihm. Er hörte ihr zu, als sie ihm von den Reaktionen der Dienerschaft berichtete, von der Entschlossenheit der Leute, dem unbekannten Angreifer Widerstand entgegenzusetzen – diesem Schurken, der eine der ihren ermordet und die Herrschaft bedroht hatte.
Charles hob
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