Geheimauftrag: Liebe
den Kopf und schaute zum Haus hinüber. Da die Bediensteten derart fest zusammenstanden und die Wachen gewissenhaft ihrer Aufgabe nachkamen, war er vielleicht entbehrlich. »Wenn ich nicht zusehe, dass ich hier wegkomme, werde ich am Ende anfangen, Nicholas zu schlagen.« Er fing ihren Blick auf. »Warum nehmen wir nicht einfach einen Picknickkorb und reiten zur Burgruine? Ich bin seit Jahren nicht mehr dort gewesen.«
Sie blinzelte verwundert, dann strahlten ihre Augen, und sie nickte. »Ja, gerne. Du kümmerst dich um die Pferde, ich bestelle den Korb und ziehe mich rasch um. Wir treffen uns an den Ställen.«
Er ließ sie gehen; lächelnd eilte sie zum Haus, eindeutig beschwingt trotz ihrer Müdigkeit. Letzte Nacht hatten sie herzlich wenig Schlaf gefunden. Er war das gewöhnt, aber sie nicht. Trotzdem hielt sie sich bewundernswert.
Besser als die meisten Frauen es täten, doch er hatte immer
gewusst, dass sich in ihrer schlanken Gestalt ein stählernes Rückgrat verbarg.
Er schaute ihr nach, wie sie über den Rasen ging und im Haus verschwand, während er sich zu den Ställen begab.
Eine Ablenkung konnten sie jetzt beide gut gebrauchen.
Es war Mittag, als sie die Ruinen von Restormel Castle erreichten, dramatisch auf einer Anhöhe über dem Tal des Fowey gelegen. Von hier aus konnte man über Wälder und Felder bis zu dem Mündungsarm und den fernen Klippen, ja, sogar bis zum Meer sehen. So war es kein Wunder, dass es im Sommer die Familien der angrenzenden Ländereien zum Picknick an diesen Ort zog, aber heute gehörte die Ruine nur ihnen – ihnen ganz allein.
Von den Normannen zwar aus dem typischen grauen Stein erbaut, wie er sich in der Gegend überall fand, wies die Burg doch ein seltenes Merkmal auf, nämlich eine kreisrunde Anlage. Seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt, waren die Umfassungsmauer und der äußere Vorhof längst verschwunden. Sie ritten über den ausgetrockneten Graben zum inneren Burghof, der die Zeiten überdauert hatte.
Sie saßen ab und schauten sich an. Wie alle Kinder der hiesigen Familien hatten sie hier getobt und gespielt, denn dieser Ort beförderte die Fantasie. Als er Dominos Zügel durch den alten Ring in der Mauer zog, erinnerte sich Charles an Schlachten in diesem Hof zwischen ihm und seinen Brüdern, ausgefochten mit hölzernen Schwertern, während ihre hohen Kinderstimmen von den Wänden widerhallten und Eltern und Schwestern lächelnd von den Wehrgängen zuschauten.
Auch Penny bewahrte ihre eigenen Erinnerungen an frohe Augenblicke einer sorglosen Kindheit. Sie reichte Charles ihre Zügel, schaute sich um, während er ihre Stute festband. »Das Picknick kann noch warten.« Das Essen war in den Satteltaschen
verstaut. »Lass uns erst einen Spaziergang über die Wehrgänge machen.«
Er nickte und nahm ihre Hand, ging mit ihr zu der Treppe, durch die man in die leere Halle gelangte. Von da führten weitere Stufen nach oben zu der zinnenbewehrten Außenmauer.
Sie trat auf den Steingang und blieb stehen, um sich umzusehen, vergewisserte sich, dass der Burgfried noch so war wie in ihrer Erinnerung. Dann drehte sie sich um und sog mit den Augen die herrliche Aussicht ein.
Der Wind, obwohl noch frisch, trug schon das Versprechen des Sommers in sich – die Luft klar, die Sonne warm. Weiße Wolkenfetzen trieben über einen strahlend blauen Himmel. Ein idyllischer Ort, der Seele und Gemüt beruhigte.
»Ich weiß nicht, warum«, sagte sie und steckte sich ein paar vorwitzige Haarsträhnen hinters Ohr zurück, »aber ich habe das Gefühl, der Schurke, wer auch immer es sein mag, kann nicht bis hierher vordringen. Hier ist für jemanden wie ihn kein Platz.«
Charles drückte ihr sachte die Hand, während sie weitergingen. »Ich habe mir immer eingebildet, dies sei einer dieser verzauberten Orte, von denen unsere Mütter immer im Flüsterton erzählten. Ein Ort, der zu dieser Welt gehört und gleichzeitig zu jener der Elfen und Feen – eine Stelle, wo beide Welten sich berühren und die Zeit einem anderen Rhythmus folgt.«
Sie erschauerte leicht, doch es war ein köstliches Gefühl. »Ein verzauberter Ort – ja, du hast recht. Es fühlt sich aber nicht so an, als ob hier böse Geister spukten.«
»Nein. Vermutlich weil hier keine schlimmen Schlachten oder ein hinterlistiger Verrat stattgefunden haben. Es ist, wie du sagst. Diesen Ort hat es einfach immer gegeben, und alles Böse bleibt außen vor.«
Als sie zu ihm hinblickte, sah sie ein belustigtes Lächeln, das
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