Geheimauftrag: Liebe
Gelegenheit konfrontiert, ein grandioses Spiel mit den Franzosen zu beginnen, das sie praktisch auf einem Silberteller präsentiert bekamen.«
»Ein Spiel?«, erkundigte sich Charles.
»So sahen sie es, die drei – mein Vater, Howard und später Granville. Es war immer ein Spiel für sie: ein großartiges, unerhörtes Spiel, in dem sie immer die Sieger waren.«
Charles wechselte einen raschen Blick mit Penny, dann fragte er: »Woraus bestand dieses Spiel?«
»Mein Vater hat mehr oder weniger die Regeln aufgestellt. Er hat sich einverstanden erklärt, die Franzosen zu beraten, brauche aber wegen seiner Stellung in der Botschaft, behauptete er, einen Mittelsmann, dem sie vertrauen konnten, also Howard und später Granville. Die Bezahlung bestand aus einer Pillendose für Howard, für die Weiterleitung, und einer Schnupftabakdose für meinen Vater für den Rat an sich. Zu dieser Zeit hatten sie beide mehr oder weniger zufällig mit ihren Sammlungen begonnen, und da kam ihnen das gerade recht. Solche Antiquitäten standen damals nicht gerade hoch im Kurs, und viele Leute waren gerne bereit, ihre Sammlerstücke zu diesem Zweck zu veräußern. Sie erhielten immerhin Geld als Gegenwert, während die Käufer aus Regierungskreisen nichts als einen schlechten Rat dafür bekamen. Die Franzosen hatten eben keine Ahnung, wie gerissen mein Vater war …« Nicholas schüttelte den Kopf und seufzte. »Denn alles, was er ihnen als Berater an Wissen zukommen ließ, war erlogen, völlig aus der Luft gegriffen.«
»Er hat sich alles ausgedacht?«, fragte Charles verwundert.
Nicholas lächelte ironisch. »Darin lag für ihn die Herausforderung des Spieles.«
Charles starrte ihn an, lehnte sich zurück und legte den Kopf in den Nacken, schaute zur Decke. Eine volle Minute verstrich, bevor er sich wieder Nicholas zuwandte. »Ich habe die Sammlung gesehen. Wir sprechen hier von einem oder zwei wertlosen Ratschlägen jährlich, insgesamt über einen Zeitraum von mehr als vierzig Jahren?«
Nicholas nickte.
»Und die Franzosen haben es nie bemerkt?«
»Sehr spät, eigentlich erst nach Waterloo. Mein Vater ist zwar in allen diplomatischen Finessen geradezu brillant, nicht
aber in militärischen Dingen. Anfänglich hat er es stets vermieden, sich zu strategischen Fragen zu äußern, was zunächst ja auch keine Rolle spielte. Politische und wirtschaftliche Aspekte standen im Mittelpunkt. Sie waren derart beeindruckt von den Ratschlägen meines Vaters, die immer Sinn zu machen schienen, dass sie die Richtigkeit nie infrage stellten.«
»Wie«, erkundigte Penny sich, »kann das sein, wenn nichts dahintersteckte?«
»Die Franzosen haben sich nach konkreten Situationen erkundigt – es gab immer als Aufhänger einen realen Rahmen.« Nicholas setzte sich anders hin, bewegte vorsichtig seine bandagierten Schultern. »In Politik und Diplomatie sieht man, wenn man Vorfälle in anderen Ländern betrachtet, im Grunde genommen nur Puppen auf einer Bühne, doch man hat keine Ahnung, was hinter dem Vorhang geschieht, wer was tut und welche Fäden von wem gezogen werden. Deshalb konnte mein Vater alternative Szenarien ersinnen, die eine Erklärung für das abgaben, was die Franzosen auf der Bühne sahen. Er war, wie gesagt, nicht nur sehr beschlagen, sondern auch höchst raffiniert.«
Charles nickte. »So etwas ist mir auch schon einmal begegnet – Fehlinformation von höchster Qualität, bei denen gewissermaßen garantiert ist, dass niemand sie anzweifelt.«
»Genau.«
Charles schüttelte den Kopf, nicht ungläubig, sondern eher verwundert. »Ich kann kaum glauben, dass es so lange gut gegangen ist.«
»Teilweise liegt es an seiner Karriere. Je höher er im Foreign Office aufstieg, desto mehr erfuhr er und konnte seine falschen Ratschläge immer glaubhafter gestalten. Und es hat funktioniert.«
»Und wieso war es plötzlich zu Ende?«
»Als sich auf der Iberischen Halbinsel der Krieg gegen Napoleon
ausweitete und die Engländer die Aufständischen unterstützten, wollten die Franzosen auf einmal Informationen zu militärischen Vorhaben. Zu Beginn kein Problem, schließlich gab es nichts, worin mein Vater eingeweiht war, und so konnte er leicht ablehnen. Doch das änderte sich mit der Zeit – hinzu kam, dass die Selbornes immer schon patriotisch bis unter die Haarwurzeln waren.« Nicholas legte eine nachdenkliche Pause ein.
»Mein Vater überlegte in dieser veränderten Situation sogar, die zuständigen Stellen in London von seinem
Weitere Kostenlose Bücher