Geheimauftrag: Liebe
nicht mehr war als ein britischer Außenposten zum Schutz der Flanken.«
»Richtig, doch er glaubte, es handle sich um eine Falle, weil mein Vater diesen Ort erwähnte.«
»Zur Hölle!« Charles fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Das werden ihm die Franzosen nie verzeihen.«
»Nein, aber ich denke nicht, dass es einfach nur das ist.«
Charles blickte Nicholas an; nach einem Moment nickte er.
»Sobald sie Verdacht geschöpft hatten, begannen sie sich Vergangenes näher anzuschauen und erkannten …«
»Nachdem so viele Jahre verstrichen waren, gab es wesentlich mehr Informationen, die verfügbar waren – Diplomaten haben die schreckliche Angewohnheit, Memoiren zu verfassen. Jedenfalls stellte es keinerlei Problem dar, einige seiner früheren Ratschläge als Unsinn zu entlarven.«
»Und nachdem sie erst einmal angefangen hatten … Gütiger Himmel! Das muss wie Salz in offenen Wunden gewesen sein.« Charles lehnte sich zurück mit einer Miene, die zunehmend nachdenklicher und härter wurde. »Das ist der Grund«, stellte er halblaut fest, »warum sie einen Henker geschickt haben.«
Nicholas musterte sein Gesicht, dann fragte er: »Verwenden Sie den Begriff im übertragenen oder im wörtlichen Sinn?«
Charles erwiderte seinen Blick. »Im wörtlichen.« Er schaute Penny an, sah, dass sie trotz ihrer Blässe gefasst wirkte. »In der Welt der Informanten und Spione ist das nichts Ungewöhnliches.«
Er schwieg, schaute Nicholas eine Weile forschend an. »Warum haben Sie es mir nicht sofort gesagt, sobald sie wussten, weshalb ich mich hier aufhalte?«
Nicholas wich seinem Blick nicht aus. »Hätten Sie es mir geglaubt?«
Als Charles nicht sofort antwortete, fuhr Nicholas fort: »Denken Sie zurück an ihre Äußerungen von letzter Nacht. Sie waren im Besitz des Großteils der Informationen und haben doch daraus einen falschen Schluss gezogen: dass nämlich die Selbornes jahrzehntelang Geheimnisse verkauft hätten. Die Pillendosen hier schienen ein ausreichender Beweis zu sein – von den Schnupftabakdosen im Besitz meines Vaters wussten Sie nicht einmal. Wer würde schon glauben, dass letzten Endes nichts dahintersteckte als die Spielernatur eines Einzelnen, seiner
Freude an Abenteuer und Desinformation. Sie wissen vermutlich mehr als die meisten anderen über dieses Geschäft, doch selbst Ihnen bereitete es zugegebenermaßen Schwierigkeiten, die Geschichte zu durchschauen.«
Nicholas schwieg kurz, dann sagte er: »Es gibt überdies keinen Beweis, dass mein Vater wirklich gezielte Irreführung betrieben hat und keinen Geheimnisverrat. Letzteres hingegen dürfte angesichts der wertvollen Dosen als viel wahrscheinlicher erscheinen. Wer käme schon auf die Idee, dass ein vernünftiger Mann aus reiner Verrücktheit so etwas tut, nur weil er eine Spielernatur ist? Und dann noch über mehrere Jahrzehnte hinweg.«
Charles erwiderte seinen Blick, richtete sich schließlich auf. »Sie haben recht, im Prinzip zumindest. Aber es gibt auch etwas, das sie nicht wissen.«
»Was?«
»Es ist möglich, auf Umwegen zu beweisen, dass es sich tatsächlich so verhalten hat, dass die Nachrichten Ihres Vaters falsch waren. Mein ehemaliger Vorgesetzter Dalziel, ein nicht minder schlauer Fuchs als Ihr alter Herr, konnte keinen einzigen Beweis dafür finden, dass zu irgendeiner Zeit Geheimnisse aus dem Foreign Office an die Franzosen weitergegeben wurden.«
Charles stand auf und reckte sich. Endlich befanden sich alle Teile des Puzzles an ihrem Platz – jetzt mussten sie nur noch herausfinden, wer der »Henker« war. Er blickte Nicholas an. »Wenn es so weit kommen sollte, wovon ich nicht ausgehe, wäre Dalziel in der Lage, alles zurückzuverfolgen – auch wann und womit ihr Vater den Feind in die Irre geführt hat.«
»Oh.« Nicholas blinzelte ihn an, dann fragte er: »Also, was tun wir als Nächstes?« Er schnitt eine Grimasse. »Ich hoffe sehr, Sie kennen Ihren Vorgesetzten gut, denn Sie haben die Schnupftabakdosen noch nicht gesehen.«
»Wie ich Dalziel kenne, wird er viel mehr daran interessiert sein, mit Ihrem Vater zu sprechen.«
»Dabei wünsche ich ihm viel Spaß. Der Mann macht mich wahnsinnig.«
Charles musste grinsen. »Vermutlich werden die beiden bestens miteinander auskommen.« Er betrachtete Nicholas’ müdes, sorgenvolles Gesicht und wurde ernst. »Wann haben Sie«, er machte eine ausholende Handbewegung, »von dem Spiel Ihres Vaters erfahren?«
Nicholas gab einen abfälligen Laut von sich. »Er hat es
Weitere Kostenlose Bücher