Geheimauftrag: Liebe
aufkommen lassen, dass wir ihn ernst nehmen. Später können wir so tun, als würden wir in unserer Wachsamkeit nachlassen, und ihn damit praktisch einladen – aber erst wenn wir dazu bereit sind und zu unseren eigenen Bedingungen.«
Nicholas zögerte, die Dienerschaft weiteren Gefahren auszusetzen, doch Penny widersprach. Am Ende einigten sie sich darauf, die Leute selbst zu fragen und dann ihre Entscheidung zu treffen. Der Butler und die Haushälterin schlossen sich jedoch eindeutig der Sichtweise von Charles und Penny an, sodass Nicholas am Ende dem Plan ebenfalls zustimmte.
Gemeinsam verließen sie den Frühstücksraum. Penny begleitete Nicholas zur Bibliothek, um dort zum einen ihre Liste aufzustellen und zum anderen in Nicholas Nähe zu sein, der noch immer recht schwach wirkte. Charles fand, es sei besser, ihn nicht alleine zu lassen.
Penny begann damit, die Dosen aus den zerstörten Vitrinen
in der Bibliothek, die jetzt auf zwei Tischen lagen, wieder zu ordnen, doch es dauerte eine ganze Weile, bis sie die jeweilige Dose zu den von ihrem Vater sauber beschrifteten Kärtchen gefunden hatte. Sie war beinahe fertig, als Charles zurückkam.
Er nickte ihr zu und ging zum Schreibtisch, an dem Nicholas saß, zog sich einen Stuhl heran. Rasch notierte sie die letzten Dosen und ihre Merkmale, hörte dabei mit einem Ohr zu, wie Nicholas und Charles über den abzufassenden Bericht sprachen. Da für sie nichts weiter in der Bibliothek zu tun war, griff sie nach einer Lupe, um sich an ein Verzeichnis der Dosen im Priesterversteck zu machen.
Als sie mehr als zwei Stunden später wieder nach unten kam, schmerzte ihr Handgelenk. Sie betrat die Bibliothek und sah Charles am Schreibtisch vor einem Blatt Papier sitzen, das er emsig beschriftete. Sie wusste, dass er ihr Eintreten registriert hatte, obwohl er nicht von seiner Arbeit aufschaute. Nicholas saß untätig auf seinem Stuhl, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen.
Er öffnete sie, als sie zu ihnen trat, begann zu lächeln, doch gleich darauf wirkte seine Miene wieder gequält. »Ich denke, die wesentlichen Punkte haben wir abgedeckt.«
»Beinahe fertig«, erklärte Charles. »Ich werde zwei Stallburschen damit zur Abbey schicken, und einer meiner Pferdeknechte bringt den Bericht dann nach London.«
Kein Zweifel, dass seine Leute genau wussten, wo sie solche Nachrichten abzuliefern hatten, dachte Nicholas. Penny unterbrach seine Grübeleien, als sie darin erinnerte, dass es Essenszeit sei. »Der Lunch kann serviert werden, sobald ihr fertig seid.«
Charles nickte, schrieb aber weiter.
Fünfzehn Minuten später, nachdem die endgültige Version zu Papier gebracht, von Nicholas und Charles unterzeichnet
und auf dem Weg zur Abbey war, begaben sie sich gemeinsam zum Speisesalon.
Sie ließen sich Zeit mit dem Essen, denn es gab vorerst nichts zu tun. Sie konnten nur warten, wie Charles sagte.
»Wir wissen, wer er ist: ein französischer Geheimagent. Wir kennen seine Aufgabe: die Selbornes wegen vorgeblicher Verbrechen gegen den französischen Staat hinzurichten, zumindest Amberly, und die Pillen- und Schnupftabakdosen so weit wie möglich zurückzuholen. Wir wissen jedoch nicht, welche Verkleidung er tragen wird. Deshalb müssen wir warten, bis entweder er sich durch irgendetwas verrät oder wir bis dahin Näheres von Dalziel erfahren.«
»Dalziel …« Nicholas nippte von dem Rotwein, den ihm Mrs. Figgs zur Stärkung empfohlen hatte. »Er scheint sehr mächtig und einflussreich zu sein.«
Charles nickte. »Ich habe allerdings keine Ahnung, ob diese Macht von seiner Position im Ministerium herrührt oder von seiner persönlichen Stellung, seinem Titel, seinem Namen. An ihm ist alles geheim.«
Nicholas betrachtete sein Glas. »Ich habe … von ihm reden hören, aber nie mehr. Er scheint ein Rätsel zu sein, wenigstens innerhalb von Whitehall, in sämtlichen Regierungskreisen und in allen Ministerien also. Und es sieht so aus, als würde er keinen persönlichen Ehrgeiz kennen.«
Penny beobachtete, wie Charles diese Feststellung von allen Seiten überdachte und sie mit seinen eigenen Beobachtungen verglich.
Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht ganz zutreffend. Ich bezweifle zwar ebenfalls, dass Dalziel irgendwelchen Ehrgeiz in Bezug auf ein politisches oder öffentliches Amt hegt – ich nehme an, das wäre keine Option für ihn, was ihn in Whitehall zweifellos zu einem Sonderfall macht. Nein, da gebe ich Ihnen recht: Ämter interessieren ihn
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