Geheimauftrag: Liebe
sich hinter seiner Fröhlichkeit ein harter Mann voller Geheimnisse verbarg.
Auch Gervase Tregarth durfte als unbestreitbar gut aussehend gelten, allerdings auf eine weniger spektakuläre und ernstere Weise. Vom Wesen her gesetzter umgab ihn eine Aura von Ruhe und Stille, was jedoch die geschmeidige Eleganz, mit der er sich bewegte, nicht beeinträchtigte. Auch bei ihm fiel ihr eine gewisse Reserviertheit auf, die einen Abstand zur Welt verriet, doch etwas weniger ausgeprägt als bei den beiden anderen.
Sie waren also unterschiedlich und zugleich in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich.
Nachdem die wechselseitigen Vorstellungen abgeschlossen waren, bat Penny alle ins Haus. »Ich werde Zimmer für Sie herrichten lassen.« Sie schaute sie an. »Ihr Gepäck?«
Jack blickte zu Charles. »Wir waren nicht sicher, wie du disponiert hast, und haben unsere Sachen in der Abbey gelassen.«
»Ich lasse sie herbringen.« Charles winkte sie weiter.
Penny führte sie in die Bibliothek, betätigte dort die Klingel, bevor sie auf der Chaiselongue Platz nahm. Charles setzte sich neben sie, während die anderen drei sich auf Polsterstühlen niederließen. »Tee und Kuchen oder Brot, Käse und Ale?«, fragte sie.
Alle entschieden sich für einen herzhaften Imbiss, und da Jack und Gervase seit dem Morgen vermutlich nichts gegessen hatten, gab sie Norris den Auftrag, mehr als die üblichen kleinen Häppchen zu bringen, und Charles bat den Butler bei dieser Gelegenheit, das Gepäck der beiden Herren aus der Abbey abholen zu lassen.
»So«, bemerkte Jack, nachdem Norris den Raum verlassen hatte. »Was geht hier vor sich?«
»Alles, was Dalziel uns mitgeteilt hat«, erklärte Gervase, »besagt, dass du mit beiden Füßen in Mord und Totschlag gelandet bist und vermutlich Unterstützung gut gebrauchen könntest.«
»Mord und Totschlag, leider«, erwiderte Charles und begann kurz die Lage zu umreißen einschließlich der Zwischenfälle, die sich ereignet hatten. Dann schweifte er von diesem Thema ab, um das verrückte Spiel der Selbornes zu beschreiben. Wie er selbst reagierten Gervase und Jack vor allem fasziniert und bekundeten ebenfalls großes Interesse, Nicholas’ erfindungsreichen Vater kennenzulernen.
»Was ich nicht wirklich verstehe – warum hat er die Vitrinen zerschlagen und damit unnötig Lärm gemacht?« Gervase schaute zu Nicholas. »Sie sagen, er wirkte wütend?«
Nicholas nickte. »Er fluchte, und zwar noch ehe er mich entdeckte.«
»Das ist nicht die gewohnte Kaltblütigkeit, wie man sie bei einem Profi erwartet.« Jack schaute Charles an.
Mit schmalen Lippen nickte der, und Penny war sich sogleich sicher, dass ihm das selbst bereits aufgefallen war, ohne es jedoch zu erwähnen. »Nein, es deutet darauf hin, dass er jünger ist als wir, weniger erfahren. Auch die Ermordung des Hausmädchens passt nicht ins Bild. Sie alarmierte nur unnötig alle und sorgte dafür, dass wir jetzt alle erdenklichen Vorkehrungen treffen. Er hätte es nicht tun müssen und hat es dennoch getan. Warum?«
»Er ist eitel«, folgerte Jack. »Und zugleich jemand, der es genießt, anderen Angst einzujagen, und sich ganz sicher ist, dass er mit allem durchkommt.«
»Das klingt plausibel«, erklärte Gervase. »Und genau an diesem Punkt kommen wir ins Spiel, um ihn eines Besseren zu belehren.«
Charles und Jack pflichteten ihm bei.
Nach einem Moment schaute Gervase auf, hob seinen Krug Ale in Richtung Charles, Penny und Nicholas, setzte ein Lächeln auf und erklärte: »Wir haben es noch nicht gesagt, aber wir sind Ihnen unendlich dankbar, uns einen Vorwand geliefert zu haben, London zu verlassen.«
Jack stimmte ihm aus tiefstem Herzen zu und trank.
Charles riss erstaunt die Augen auf und erkundigte sich: »Ich dachte, ihr beide hättet Pläne?«
Jack und Gervase wechselten einen Blick, dann nickte Gervase. »Hatten wir.«
»Unglücklicherweise«, sagte Jack, »gingen die der heiratswütigen Mütter weit über unsere hinaus.« Er erschauerte bedeutungsvoll. »In Wahrheit sind wir Flüchtlinge auf der Suche nach einem sicheren Zufluchtsort.«
Der Tag verging wie im Flug, und bald war es an der Zeit, sich zum Dinner umzuziehen. Jack und Gervase begaben sich in die ihnen von Norris zugewiesenen Räume, und auch die anderen zogen sich zurück, um sich eine halbe Stunde später alle im Salon zu versammeln und sich dann gemeinsam hinüber zum Speisesalon zu begeben. Penny platzierte Jack und Gervase rechts und links neben sich und
Weitere Kostenlose Bücher