Geheimauftrag Phantom
lassen Sie mal, Madame. Sie weiß ja, daß wir wegwollen.«
Wie auf ein Stichwort kam sie an. Angel trug eine dunkle Flatterbluse und eine helle Hose, die nur bis zu den Knien reichte. Sie lächelte mir zu und nickte.
»Fertig?«
»Klar.« Sie hob eine Stofftasche mit breiten Riemen an. »Die nehme ich mit in den Wagen.«
»Einverstanden.«
Madame Sousa kam und umarmte Angel. »Viel Glück, Kind. Und bis in knapp zwei Monaten.«
»Ja, natürlich.«
Tenero reichte mir die Hand. »Dann machen Sie es mal gut, Kollege. Und grüßen Sie das neblige London.«
»Um diese Zeit nicht.«
Auch von der Rektorin verabschiedete ich mich, die sich noch einmal für ihre Lebensrettung bei mir bedankte, was mir wiederum ziemlich unangenehm war.
Angel saß schon auf dem Beifahrersitz, als ich einstieg, die Tür zuhämmerte, startete und winkende Menschen zurückließ. Auch die Schülerinnen waren gekommen, um uns zu verabschieden.
»So«, sagte ich, als wir um die nächste Kurve verschwunden waren, »ab geht es.«
»Das freut Sie, nicht?«
Ich hob die Schultern. »Einerseits ja, andererseits nein. Ich bin etwas unbefriedigt.«
Ihre Augen wurden groß. »Wie das? Der Mörder ist vernichtet.«
»Das schon, aber… na ja, lassen wir das.« Ich wollte sie nicht mit meinen Problemen belasten.
Kurz vor der Umgehungsstraße nach Locarno tankte ich noch einmal voll. Zu den Dreitausendern mußten wir. Dort begann der Tunnel, der uns aus dem Tessin herausführte.
Die Sonne brannte mir in den Rücken. Schweiß hatte sich in meinem Nacken gesammelt. Es roch nach Hitze und Benzindämpfen. Angel bat mich, noch eine Dose Wasser zu kaufen.
»Mach' ich doch glatt.«
Im Kassenhaus nahm ich sie aus dem Kühlfach. Eine halbe Minute später waren wir wieder auf der Bahn, blieben in Locaro stecken, schafften den Morgenverkehr trotzdem, rollten durch das weite Tal in Richtung Bellinzona und gelangten auf die Autobahn. Angel schaute nach rechts, wo die Trasse in Richtung Süden, nach Lugano und Mailand führte.
»Möchten Sie jetzt da sein?« fragte ich.
»Zu gern. Ich liebe Italien.«
»Es ist auch ein herrliches Land.«
Wir rollten in die entgegengesetzte Richtung, nach Norden, immer nur nach Norden und über eine Autobahn, die stetig anstieg, so daß sie irgendwann einmal die sehr warmen Zonen hinter sich gelassen hatte. Durch die spaltbreit geöffneten Seitenscheiben wehte ein kühler Wind. Das St.-Gotthard-Massiv lag breit und wuchtig vor uns. Wer gute Augen hatte, konnte bereits die Schleifen der Paßstraße erkennen, die sich über den Berg wand.
Leider ließ es die Zeit nicht zu, die Straße zu fahren. Sie soll wunderbar sein.
Noch ein paar Kilometer waren es bis Airolo, der letzten Stadt vor dem Tunnel. Park-und Rastplätze waren angelegt worden, ebenso wie zwei große Tankstellen.
»Schaffen wir noch eine Pause?« fragte Angel.
»Wann?«
»Vor dem Tunnel.«
Ich hob die Schultern und huschte an zwei Lastwagen vorbei. »Wenn Sie wollen, ich habe nichts dagegen.«
»Einen Kaffee könnte ich vertragen.«
Den wollte ich zwar nicht trinken, dafür aber etwas essen, denn ich bekam allmählich Hunger.
Auf der rechten Seite lag die große Raststätte im Schein der blanken Sonne.
Weiße Wolken türmten sich vereinzelt am blauen Himmel und schienen die Spitzen der Berge kitzeln zu wollen.
Viel Betrieb herrschte nicht, so daß wir uns die Plätze noch aussuchen konnten. Das Wetter war einfach zu schön, um in das Restaurant zu gehen. Deshalb beschlossen wir, im Freien zu bleiben.
»Sie entschuldigen mich«, sagte Angel, »ich muß mal zur Toilette.« Sie nahm ihre Stofftasche mit.
»Bleibt es beim Kaffee?«
»Ja, und ein Croissant dazu, bitte.«
»Geht in Ordnung.«
Bei einer dunkelhaarigen Kellnerin bestellte ich das Gewünschte und für mich etwas Käse und Parmaschinken sowie ein Brötchen, das ziemlich groß war.
Als Angel zurückkam, war der Tisch bereits gedeckt. Das Croissant sah sehr frisch und knusprig aus.
Ich trank schon wieder Kaffee, aß zuerst den Schinken, danach den Käse. Angel wollte nichts. Gedankenverloren biß sie in das knisternde Croissant und schaute mit einem melancholischen Blick, wie mir schien, in Richtung Tunnel.
»Haben Sie was?« fragte ich.
»Ja, ich denke nach.«
»Worüber?«
»Über den Tunnel. Wissen Sie eigentlich, John, daß es Menschen gibt, die große Angst davor haben, ihn zu du rch fahren?«
»Das ist mir bekannt.«
»Sie haben keine Angst?«
»Nein, obwohl ich diese
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